Die characteristischen Verschiebungen, sowohl der Tiefstand des Promontoriums
und des Kreuzbeins, als auch die Verdrängung der Sitz- und Schambeine, schnabel
förmiges Vorspringen der vordem Begrenzung und Herzform des Beckeneingangs
■überhaupt. Alles Zustände, die in der letzten Zeit erst gradatim herbeigeführt sind,
beweisen die Osteomalacie.
Die Ursachen der Osteomalacie kennen wir freilich nicht, dennoch dürfte es
gerechtfertigt erscheinen, die beim Eingang erwähnten Umstände als Causalmomente
anzusehen, da wir sie in den wenigen bekannten Fällen stets wiederfinden.
„Die Frau gehörte dem Proletariat an, lebte in einer feuchten, dunkeln, engen
und schlecht ventilirten Wohnung, genoss nur karge Kost und überstand mehrere
Wochenbetten in nicht sehr grossen Zwischenräumen. Insulte des Beckens, die nach
Virchow ein veranlassendes Moment bilden sollen, waren nicht nachweisbar
Hinsichtlich der Therapie tappen wir gleichfalls im Dunkeln. Es konnte dem
nach auch in diesem Falle nur den muthmaasslichen Ursachen begegnet werden, und
da ergab sich vor allen Dingen während der Dauer der langwierigen Krankheit die
Sorge für gute Luft und eine roborirende Diät, namentlich kräftige animalische Nah
rung und Wein. Die Darreichung von Eisen und Leberthran zur Besserung der
ßlutbilduno- und des Stoffwechsels wurde nicht versäumt.
Sehr wohlthätig erwiesen sich für die Erregung der Hautthätigkeit, die sehr
darniederlag, warme Bäderj mit einem Zusatz von Lauge, der am Orte, Oldesloe, be
findlichen Saline entnommen.
Sorgfältig beobachtet, um Verbiegungen der Knochen zu vermeiden, wurde
immer lang dauernde Rückenlage, namentlich zu Zeiten, wo physiologisch eine Lockerung
aller Beckenwandungen vorhanden, also vor und nach jeder Entbindung.
Die Schmerzen indicirten die consequente, aber vorsichtige Verwendung von
Nareoticis, vorzüglich des Opium oder seines Alkaloids, des Morphium, letzteres am
■wirksamsten hypodermatisch, anfangs nur in sehr kleiner Dosis, wegen der zu erwar
tenden Steigerung und des langsamen Verlaufes der Krankheit. Leider gehörte
auch diese Kranke einem Stande an, bei dem die absolute Verbesserung der hygienini-
schen Verhältnisse unmöglich bleibt; kein Wunder deshalb, dass der Erfolg nicht den
Bemühungen entsprach, und der zuletzt von der Kranken sehnlichst herbeigewünschte
Tod das lange Leiden endete.