Nr. 235
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitnng (Rendsburger Tageblatt)
Donnerstag, den 6. Oktober 193-^
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Iohanķsîstag ut Änöeloh.
Preisgekrönte Aovette von Affreö Dreefen. Hamburg.
^ Johannistag ist's und durch die hohe Heide geht
ein heimliches Raunen und Tuscheln. Die niedri
gen Büsche knistern leise im Gezweig und im Heide
kraut herrscht ein heimliches Flüstern und Wispern,
das selbst die emsigen Ameisen einen Augenblick
ruhen und aufhorchen läßt. Sogar das Heiderös
lein im Wacholderbusch unterbricht seinen Flirt
urit Käfern und Faltern, um zu erlauschen, was
sich die Heide heute so Wichtiges zu erzählen hat.
»Wißt Ihr es noch, was am Johannistage ge-
schah? Heuer ist's hundert Jahre her und alljähr
lich kündet sich von neuem die Erinnerung an je-
ues Ereignis. Gerade so wie heute lag die Heide
^uch damals in tiefem Frieden unter der blauen
Himmelsglocke, von der die hohe Sonne klar und
lengend herabstrahlte. Heiße Luft flimmerte über
dem sommerduftenden Boden, als am späten Nach
mittage plötzlich der zirpende Angstschrei der Vögel
die Luft mit tausendfachem Warnungsruf erfüllte:
»Die Heide brennt! Die Heide brennt!"
Ein alter Machandelbaum, der aus seiner Höhe
dem Geranne des niedrigen Gestrüpps nur mit
halbem Ohr zugehört hatte, schüttelte nun auf ein
mal seinen schlanken Wipfel und lachte verächtlich:
»Was weißt du, Schwester Erika, von der Ge
schichte! Habt ihr alle es doch nur durch Zutragen
vernommen, was ich vor hundert Jahren selbst er
leben und mit ansehen mußte."
„Erzähle! Erzähle! baten nun alle Büsche und
Gräser ringsumher. Dis hohe Heide und alle Tiere
weit im Kreise waren jetzt still und lauschten der
Erzählung des alten Machandelbaumes.
„Am Ende des Dorfes Undeloh, einen reichlichen
Steinwurf von hier entfernt, lag früher der alte
Marxenhof. Etwas abseits vor den Nachbarhöfen,
aber ganz nahe dem Kiefernbusch an der Land
straße, standen die stattlichen Gebäude. Hoch ragten
die grau-gelben Strohdächer über die Umgebung,
und besonders das Wohnhaus zeugten vom Uhlen
koch am hohen Giebel bis herab zu den blitzblanken
Fensterruten von Wohlstand und guter Wirtschaft.
Aber der alte Großbauer Marxen war ein mürri
scher Mann, von den Gebrechen der Jahre und zu
meist recht schlechter Laune übel geplagt. Schon
lange reichten seine Kräfte nicht mehr für die Be
wirtschaftung des Marxenhofes und es war gut,
daß fein Sohn Hans ihm die Arbeit abgenommen
hatte und seit Jahren zusammen mit seiner Frau
und einem treuen Gesinde die Wirtschaft versah.
Die Jungbäuerin, Maria Marxen, stammte nicht
aus dieser Gegend: sie war in der Altmark, hinter
Stendal zuhause. Der Jungbauer hatte sie dort
einst kennen gelernt und er hatte recht daran ge
tan, sich dies Weib von gesundem tüchtigen Schlag
Zu nehmen, anstatt im Dorfe zwischen Basen und
Ccheffelerbsen-Verwandten sich eine Frau zu wäh
len, wie es in der Gegend leider üblich war. —
Aber gerade die. „Butenlandsche", wie er sie nann-
te, war bei dem alten steifnackigen Heidjer oft
Grund zum Aerger. Mit argem Zipperlein in den
Gliedern saß der Großbauer den größten Teil des
Tages pfeifenrauchend und grübelnd im Sorgen
stuhl. Oder er sprach mit sich selbst, und gar oft
mals ballte er hierbei die Faust und fluchte
Zischend: „Dat Aas, de Butenlandsche". Laut durfte
*r dies nicht tun, denn wenn der Jangbauer es
werkte, gab es ein heftiges Gezänk zwischen Vater
und Sohn. Dadurch, daß aber der Bauer seine
Frau gegen die Anfeindungen des Alten kräftig
in Schutz nahm, hatten sich aber die Verhältnisse
im Hause ganz leidlich gestaltet. Man ließ dem
Al ten ^ zwar sein Recht zukommen, kümmerte sich
aber im übrigen wenig um ihn und ließ ihn
brummen.
So saß der alte mürrische Mann nun schon jahre
lang nichtsschaffenÄ und grübelnd herum, und es
war daher kein Wunder, daß sich in ihm allerlei
Unnütze Gedanken und Einbildungen festsetzten.
Wenn irgend etwas im Hofs in Unordnung war,
wenn irgend ein Ungemach eintrat, Hagel auf die
iunge Feldfrucht fiel, Krankheit und Fehlschlag
Unter dem Vieh herrschte, Wildfraß die junge Saat
Zerstörte, sogar wenn Sonnenschein oder Regen
Zur Unzeit kamen, an allem war nach seiner Ein
bildung die „Butenlandsche" schuld. Dieser Ge
danke hatte sich bei ihm so festgefressen, er war so
verbohrt in diese Einbildung, daß es beinahe an
Hexenglauben grenzte, und es gab im Dorfe leider
Eine Menge alter Schluderlaschen, die ihn darin
^stärkten. — Die Jungbäuerin war zwar kein
Gagel — sie hatte ihre Schwächen wie alle Weiber
doch hielt sie das Gesinde in Ordnung und
Frieden im Hause, wenngleich das alberne Ge
baren des Alten sie innerlich herzlich verdroß. Die
Anfeindungen des Alten änderten sich nicht ein
mal, als die Jungbäuerin nach fast achtjähriger
Ehe im Eismond des Jahres 1829 einem Knaben
das Leben schenkte, der als langersehnter Stamm
halter und künftiger Erbe des Marxenhofes von
den Eltern mit besonderer Liebe gepflegt und um-
lorgt wurde. Aber der mürrische Alte haßte auch
^as Kind der Butenlandschen und in seinem er-
ahmenden Gehirn fraß sich immer mehr der eine
Wunsch fest: „De Jung ward den Hoff ni kriegen!
à! He schall em ni!"
Das Frühjahr 1829 war kalt und naß gewesen.
das Osterfest sah noch Schnee und allen Wiesen im
Tal der Aue wurde erst später Eraswuchs beschert,
der aber in der Wärme des Brachmonds um so
besser gedieh. Um die Zeit der Sommer-Sonnen
wende sah man daher alle Bauern von Underloh,
von Egestorf und Schätzendorf mit dem ganzen
Gesinde emsig beim Heuen im Auetal. Auch Hans
Marxen war mit allen Diensten im Heu, so daß
die Jungbäuerin gegen Abend allein auf die Weide
zu gehen pflegte, um die Kühe zu melken. Da das
Kindlein früh einschlief, ließ sich's so einrichten,
und im übrigen war ja auch der Großbauer im
Hause. So war es auch am Johannistage."
Der Machandelbaum hielt jetzt einen Augenblick
inns mit dem Erzählen. Es hatte ihn, den schon
etwas Altersschwachen, angestrengt und er mußte
Luft schnappen.
„Wenn ich die Bäuerin gewesen wäre, dann
hätte ich das kleine Kind aber nicht mit dem alten
Brummbär allein im Hause gelassen," rief nun
ängstlich die Goldammer dazwischen.
„Ich hätte am liebsten eine schützende Dornen
ranke um die Wiege gezogen," meinte das Heiden
röslein.
„Ich hätte dem Alten Hände und Augen zer
stochen, wenn er an die Wiege herangekommen
wäre," ereiferte sich die Wespe.
„Ich hätte mein schönstes Lied gesungen, um den
alten Mann milde und freundlich zu stimmen,"
sagte der Pirol leise.
„Rein!" schrie die Elster dazwischen. „Ich hätte
ihm die Augen ausgehackt."
Die ganze Zuhörerschaft war nun aufgeregt ge
worden, aber der alte Erzähler beschwichtigte sie:
„Still! Still! Das läßt sich hinterher ja alles
leicht sagen. Aber es kam ja doch ganz anders. Wie
es entstanden ist, weiß niemand. Aber es ist ge
schehen und die Gefahr kam glanz woanders her.
Aengstlich kreischend flatterten zuerst die Vögel auf
in Sorge um Rester und Brut. Sie hätten die
Jungbäuerin warnen können, doch Maria Marxen
war zu sehr vertieft in ihre Arbeit und strebte nur
danach, möglichst schnell damit fertig zu werden.
Deshalb achtete sie nicht auf die Vögel und sah
nicht die dunkle Rauchwolke, die sich hinter dem
Kiefernbusch immer mehr verbreitete und mit dem
aufkommenden Abendwind schnell vorwärts trieb,
westwärts gegen Undeloh. Erst als die schwarzen
Schwaden die Sonne zu verdunkeln begannen,
wurde die Bäuerin aufmerksam. Jäher Schreck fuhr
ihr durch die Glieder.
„Großer Gott im Himmel! FLer! Füer!" schrie
das Weib und rannte heulend durch die Dorfstraße.
Aber kein Menschenohr vernahm noch den Wehruf:
nur das Echo klang schrill und höhnend von den
Hausmauern zurück. Aber aus der Schmiede er
tönte der Amboß unter den wuchtigen Hammer-
schlägen des Gesellen.
„Gott Loff und Dank! Mindst een Minschenseel
to'm Helpen," dachte die Jungbäuerin und rief in
die Schmiede hinein: „Sachsen-Fer'nand! De Heis
brennt un de ganze Dannenbusch is all in Füer!
O Gott, o Gott, uns Hus!"
Der junge Schmiedegeselle warf kurz entschlossen
den Hammer beiseite und rannte so schnell er
konnte zum Marxenhof hinauf. Rasch überlegte er
und erkannte die drohende Gefahr für den Hof, die
sich aus der Windrichtung ergab. „Wer ist im
Haus?" fragte er hastig die Bäuerin, die hinter
ihm her keuchte. Aber er wartete nicht auf Ant
wort, denn man gewahrte plötzlich im Näherkom
men dicken gelben Qualm über dem Dache des
Wohnhauses an der Straße. Die Hitze des bren
nenden Waldes hatte gezündet und im Nu stand
das trockene Strohdach ganz in Flammen. Der
Schmied beflügelte nun feinen Schritt und als er
sich noch einmal nach der Bäuerin umschaute, sah
er gerade, wie das arme Weib mit einem Schrei
des Entsetzens am Wegrande zusammenbrach.
„Min Kind! Min Kind!" schrie die zu Tode ge-
ängstigte Mutter und suchte sich immer wieder auf
zurichten und vorwärts zu schleppen.
Der Schmied fühlte, wie eine Faust sein Herz zu
sammenzupressen drohte. Es schnürte ihm die Kehle
zu, aber er schüttelte die Regung von sich ab, riß
alle Kraft zusammen und rannte den Berg hinan.
Er erreichte den Marxenhof, als bereits glühende
Sparren im Dache sichtbar wurden und der Rauch
seitlich aus den niedrigen Fenstern hervorzuquel
len begann. Doch das große Haustor war ver
riegelt. Vergeblich warf er seinen Körper dagegen,
den Kopf mit seinem Lederschurz vor der Hitze
fUfcelet aus aller Weit.
Der Mammutbaum in ärztlicher Behandlung.
Als einer der im Maripofa-Wald in Kalifornien
stehenden uralten und gewaltigen Mammutbäume
vor kurzem Zeichen von „Altersschwäche" erkennen
ließ, wurde ex sogleich von drei Aerzten, d. h. Bo
tanikern untersucht, die feststellten, daß die Wasser-
zufuhr zu seinen Wurzeln gestört sei. Im Umkreis
von neun Meter um den Stamm des Riesenbaums
wurde nun ein Röhrensystem angelegt und durch
diese Röhren den Wurzeln das ihnen nötige Was
ser zugeleitet. Um die schnelle Verdunstung zu ver
hindern, wurde der Boden außerdem mit Farnkräu
tern und anderen Gewächsen bedeckt. Als Ursache der
Gesundheitsstörung bes mindestens 3000 Jahre alten
Baumes wurde die Erderschütterung durch die auf
einer nahen Straße fahrenden zahlreichen Automo
bile erkannt.
Ein Futter-Automat für Seelöwen.
Die Seelöwen haben einen gesegneten Appetit;
daher kommen die vielen Fische, die sie fressen, dem
Londoner Zoo teuer zu stehen. Die Direktion hat
jetzt einen Automaten aufgestellt, der, sobald ein
Besucher einen Penny einwirft, dem Seelöwen einen
Fisch spendet. Der Automat wird, besonders von
der Kinderwelt, viel benützt. Die stark beanspruchte
Kasse des Zoo erfährt eine fühlbare Entlastung,
während die Seelöwen doch ihr gewohntes Futter
erhalten.
Auf der Suche
nach den „sieben Städten von Cibola".
Auch eine Folge der Wirtschaftskrise in den Ver
einigten Staaten ist die Wiederaufnahme der jahr
hundertelang vergeblich gebliebenen Versuche, die
„Sieben Städte von Cibola" und ihre geheimnis
vollen Goldschätze aufzufinden. Die wenig erforsch
ten und schwer zugänglichen Berge von Neu-Me-
xiko durchwandern heute aufs neue Hunderte von
Menschen, die die geheimnisvollen Städte suchen,
obwohl diese von der Wissenschaft schon längst als
Fabeln gekennzeichnet worden sind. Die heutigen
Schatzsucher, die zufrieden wären, wenn sie ein Stück
Brot hätten, werden vermutlich, genau wie ihre
Vorgänger, ihre Zeit verlieren, die freilich für sie
heute kein kostbares Gut darstellt. Als die Spanier
zur Zeit der Konquistadoren im südlichen und mitt
leren Amerika die Schätze der Azteken erschöpft
hatten, wandte sich ein wagemutiger Abenteurer
namens Coronado als erster noch Norden in der
Absicht, sich des Goldschatzes der „Sieben Städte von
Cibola" und der vielgenannten legendären Stadt
„Gran Quivera" zu bemächtigen. Aber Coronado
erreichte seinen Zweck nicht. Er mußte sich vielmehr
überzeugen, daß sein eingeborener Führer ihn nicht
nach Cibola, sondern in eine Falle führte, wo er
alles andere eher als Goldbarren gefunden hätte.
Deshalb ermordete er den tückischen Indio, kehrte
nach der Stadt Mexiko zurück und berichtete über
die Erfolglosigkeit seines Unternehmens. Aber man
hatte dort bereits so fest mit dem Goldschatz von
Cibola gerechnet, daß Coronado in Ungnade fiel.
Nach ihm versuchten noch Tausende ihr Glück, aber
kein einziger fand eine Spur der „Sieben Städte".
Diese bösen Erfahrungen haben die heutigen Schatz-
sucher nicht zu entmutigen vermocht. Selbst ans den
entlegensten Oststaaten Amerikas strömen die Ar
beitslosen in Scharen noch Neu-Mexiko und wan
dern monatelang in den Bergen herum auf der
Suche nach den „Sieben Städten" und von „Gran
Quivera".
Verbot der Gazellenjagd.
Angesichts der schnellen Abnahme der Gazellen haz
der Gouverneur von Alexandria in Aegypten die
Jagd auf Gazellen in der Umgegend der Wüste ver
boten. Auf Grund der erlassenen Verfügung wird
der Kauf von Gazellen, ganz gleich, ob es sich um
lebendige oder tote Tiere handelt, in Zukunft als
schweres Vergehen angesehen und daher mit emp
findlichen Strafen geahndet. Die Verfügung verbie
tet außerdem jede Beunruhigung der Gazellen an
Brunnen oder Wasserläufen, an denen die Tiere
ihren Durst stillen.
Bei der Taufe ertrunken.
Der Priester einer eingeborenen Daptisten-
gemeinde und sein zum Christentum bekehrter Täuf
ling ertranken, wie aus Durban gemeldet wird, im
Flusse. Die beiden standen bis zum Halse an einer
Stelle, die wegen ihrer Untiefen berüchtigt ist, im
Wasser. Dort waren schon früher viele Badende
ertrunken. Beim zweiten Untertauchen verschwand
der Täufling und einen Augenblick später der Geist
liche. Sie waren in ein etwa sieben Meter tiefes
Loch geraten und ertranken angesichts der Zuschauer.
Die Leichen wurden zwei Stunden später aufge
funden.
Tokio, die zweitgrößte Hauptstadt der Welt.
Mit dem 1. Oktober sind 82 Vororte und Vor
städte in die Hauptstadt Japans einbezogen wor
den. Damit ist Tokio mit einer Gesamtbevölkerung
von 5 311 000 Einwohnern die zweitgrößte Haupt
stadt der Welt. Das Bauprogramm, das eine Ver
schönerung und Verbesserung der Stadt vorsieht,
erstreckt sich auf 15 Jahre, der Kostenanschlag stellt
sich auf 860 Millionen Pen. Hinter der Bevölkerung
von Neuyork, die im Jahre 1930 mit 6 930 000
Köpfen ausgewiesen wurde, bleibt die von Tokio
allerdings zurück; aber Neuyork ist ja keine Landes
hauptstadt. Unter diesen hält London mit einer
Bevölkerung von über 8 Millionen die Spitze, wäh
rend Groß-Tokio nun an die zweite Stelle getreten
A
bergend. Es gelang ihm nicht, das Tor zu öffnen
und die Glut trieb den Helfer zurück. Aber ohne
langes Besinnen ergriff er mit starken Armen den
am Wegrande liegenden Markstein und schwang
mit Riefenkräften die gewaltige Wucht gegen das
Holztor, daß es nach innen zerbarst. Gelber Qualm
schlug dem Gesellen entgegen, aber er achtete nicht
der Gefahr, zog den Schurz hoch über den Kopf
und drang hinein in das Haus. Er erreichte die
Stube und tastete umher bis er dis Wiege fand.
Hitze und Rauch verschlugen ihm fast den Atem.
Aber schnell ein Griff in die unversehrten Win
deln und das zappelnde Kindlein hastig in den
Lederschurz geborgen, das war nur das Werk eines
knappen Augenblicks. Nun hielt der Mutige den
Atem an und eilte mit großen Sprüngen dem Tore
zu. Auf der Diele fühlte er sich jedoch plötzlich ge
hemmt. Er sah im Rauch eine hohe Gestalt vor sich.
„Her mit dat Kind!" brüllte eine häßliche Stimme
ihm wütend entgegen. Im plötzlichen Schreck ver
meinte der Schmied den Teufel vor sich zu sehen
und ein Schauer rann durch seine Glieder. Aber
um so fester hielt er das Kindlein in seinem Arm,
biß die Zähne zusammen und schlug mit der Lin
ken wild um sich, um sich den Weg freizumachen.
Der unter dem Schrecken des Ereignisses wahn
sinnig gewordene Großbauer gröhlte unverständ
liche Laute hinter ihm her, als der mutige Retter
auf die Landstraße hinausstürzte und das Kindlein
jenseits des Weges unversehrt in die Arme der
Mutter legte.
Nur einen Augenblick sah Maria Marxen den
Mutigen dankbar an. „Sachsen-Fer'nand," sagte sie
nur, unter Tränen lächelnd. Aber dann lag von
neuem das Entsetzen auf ihren Zügen. Sie sprang
plötzlich auf und streckte flehend bte Hand gegen
das brennende Haus.
„De Erotbuer! De Erotbuer!" schrie sie herz
zerreißend. „He dörf ni to Schaden kamen!" Mi!
dem gleichen Angstruf wandte sich die Jungbäuerin
jetzt auch an die anderen Leute, die jetzt von allen
Seiten zum Helsen herbeieilten. Einen Augenblick
schien der Schmied zu überlegen. Dann wandte er
sich kurz entschlossen noch einmal dem unglücklichen
Hause zu, in der Absicht, den alten Mann auch
noch zu retten. Aber die Leute auf der Landstraße
hielten ihn zurück: „Smed! Smed! Dat is din
Dot!" warnten sie ihn. Dennoch drang der Geselle
bis an das Haus vor und hatte bereits den Alten
gepackt, der in der Nähe des Tores hockte. Aber
der Irrsinnige stieß feinen Retter wütend zurück
und schlug ihn mit einem Holzscheit über den Kopf.
Der Schmied taumelte blutüberströmt auf die
Straße hinaus und wurde von den Bauern in
Sicherheit gebracht.
Da sah man plötzlich den Greis hochaufgerichtet
im Tore stehen. Ein Bild des Schreckens! Die
Flammen hatten stins Kleider ergriffen und wild
flatterten die grauen Haare um das wutverzerrte
Antlitz. Die geballten Fäuste reckten sich drohend
in die Höhe und mit der Stimme eines wilden
Tieres brüllte der wahnsinnige Großbauer: „De
Butenlandsche hett de Schuld!"
Die Menschen, die das sahen, waren starr ob des
entsetzlichen Anblicks. Aber noch war der Wutschrei
nicht verhallt, da schoß auch schon das ganze Trüm
merwerk des Daches mit furchtbarem Getöse herab,
das Tor brach ein und das schwere Mauerwerk des
Giebels fuhr krachend zur Erde. — Das Feuer
hatte aüch die anderen Gebäude des Marxenhofes
ergriffen und alles war bald nur noch ein einziges
Meer von Flammen und Qualm. Aber die Wut
des Feuers verzehrte endlich sich selbst: die Flam
men erloschen in der Nässe des Abends und am
nächsten Morgen sah man nur eine dünne Rauch
säule klagend zum Himmel aufsteigen, die das Ende
des Marxenhofes verkündigte."
Als der alle Machandelbaum den Wutschrei des
Irrsinnigen so täuschend nachgeahmt hatte, zitter
ten alle seine Zuhörer und alle Gräser und Heide-
büsche ließen nun nachdenklich die Köpfe hängen.
Selbst der Erzähler war traurig gestimmt und be
endete seine Erzählung mit einem tiefen Seufzer.
— Das Heidenröslein weinte leise vor sich hin, die
Rehe schlichen langsam von dannen und die Vög-
lein piepten ganz sacht, als ob sie verdecken möch
ten, daß auch ihnen schwer ums Herz war.
Nur die dreiste Elster schien nicht sehr ergriffen
von der Geschichte. Neugierig fragte sie den Ma
chandelbaum: „Kannst Du, alter Heidewächter, uns
auch sagen, was aus dem mutigen Schmied von
Undeloh geworden ist?"
„Nicht viel mehr weiß ich von ihm," antwortete
der Baum. „Einige Tage nach dem Unglück rastete
der Schmiedegeselle abends an meinem Fuße.
Seine Gedanken durchflogen noch einmal die Er
eignisse des Johannistages und auf diese Weise
habe ich die ganze Geschichte erfahren, soweit ich sie
nicht selbst mitansehen konnte. — Gegen Ende des
Sommers sah ich den Schmied mit Felleisen und
Wanderstab des Weges kommen. Hier oben auf
dem Heidberge verhielt er feinen Schritt und nahm
mit leuchtendem Blick Abschied von dem Dorf, von
den Wäldern und von der weiten Heide, die im
Feierkleide prangte. Ein Lächeln glitt über seine
Züge, als-er dis Bauleute an dem neuen Marxen
hof beschäftigt sah.
„Er wird den Hof doch bekommen!" rief der
junge Gesell fröhlich ins Weite, schwenkte grüßend
den blumengeschmückten Hut und schritt munter
ins Tal hinab auf Lüneburg zu und weiter, feiner
sächsischen Heimat entgegen."
3ut? Unterhaltung