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aiedlich, daß es ihnen recht leid that, daß es zur häßlichen Kröte hinunter
sollte. Nein, das durfte nie geschehen! Sie versammelten sich unten im
Wasser rings um den grünen Stengel, welcher das Blatt hielt, auf dem
es stand und nagten mit den Zähnen den Stiel ab; da schwamm das
Blatt den Bach hinab und Däumelinchen davon, weit weg, wo die Kröte
sie nicht erreichen konnte.
Däumelinchen segelte an vielen Städten vorbei, und die kleinen Vögel
saßen in den Büschen, sahen sie und sangen: „Welch' liebliches, kleines
Mädchen!“ Das Blatt schwamm mit ihm immer weiter und weiter fort;
so reiste Däumelinchen außer Landes.
Ein niedlicher, kleiner, weißer Schmetterling umflatterte sie stets und
ließ sich zuletzt auf das Blatt nieder; Däumelinchen gefiel ihm, und sie
war sehr erfreut darüber; denn nun konnte die Kröte sie nicht erreichen,
und es war so schön, wo sie fuhr; die Sonne schien auf das Wasser und
dieses glänzte, wie das herrlichste Silber. Sie nahm ihren Gürtel und
band das eine Ende um den Schmetterling; das andere Ende des Bandes
befestigte sie am Blatte; das glitt nun schneller davon und sie mit, denn
sie stand ja auf demselben.
Da kam ein großer Moikäfer angeflogen, der erblickte sie und schlang
augenblicklich seine Klauen um ihren schlanken Leib und flog mit ihr auf den
Baum. Das grüne Blatt schwamm den Bach hinab, und der Schmetter—
ling mit, denn er war an dem Blatte festaebunden und konnte nicht von
hm loskommen.
Gott, wie war das arme Däumelinchen erschrocken, als der Mai⸗
räfer mit ihr auf den Baum flog. Aber hauptsächlich war sie wegen des
schönen, weißen Schmetterlings betrübt, den sie festgebunden hatte; im Fall
er sich nun nicht befreien könnte, müßte er ja verhungern. Allein darum
kümmerte sich der Maikäfer nicht. Er setzte sich mit ihr auf das größte
grüne Blatt des Baumes, gab ihr das Süße der Blumen zu essen und
sagte, daß sie sehr niedlich sei, obgleich sie einem Maikäfer durchaus nicht
gliche. Später kamen alle andern Maikäfer, die auf dem Baume wohnten,
und machten Visite; sie betrachteten Däumelinchen und sagten: „Sie hat
nicht einmal mehr als zwei Beine, das sieht erbärmlich aus!“ „Sie hat
teine Fuühlhörner!“ sagte ein Anderer. „Sie ist so schlank in der Taille;
pfui! sie sieht wie ein Mensch aus! Wie sie häßlich ist!“ sagten alle
Maikäferinnen, und doch war Däumelinchen gar niedlich. Das erkannte
auch der Maikäfer, der sie geraubt hatte. Aber als alle Andern sagten,