Dan Judenmaädchen.
der Armenschule saß unter den andern Kindern auch ein kleines
Judenmädchen. Es war ein gutes, aufgewecktes Kind, das
flinkste in der ganzen Schule; aber es mußte doch von einer der
Cehrstunden ausgeschlossen bleiben — am Religionsunterrichte nämlich
durfte es nicht teilnehmen; war doch die Schule eine christliche.
Das Lehrbuch der Geographie durfte das Mädchen während⸗
dessen aufschlagen, oder auch das Rechenexempel für den nächsten Tag
ausrechnen; aber das war bald gethan, und hatte sie die Aufgabe
aus der Erdbeschreibung erledigt, so blieb das Buch zwar aufgeschlagen
vor ihr liegen, aber sie las nicht weiter darin; sie lauschte still den
Worten des christlichen Lehrers, und dieser wurde bald inne, daß sie
aufmerkte wie fast keins der andern Kinder.
„CLies du in deinem Buche, Sarah,“ sagte der Lehrer mit mildem
Ernst; allein ihr schwarzes, strahlendes Auge blieb an ihm hangen,
und als er einmal eine Frage an sie richtete, siehe, da wußte sie besser
Bescheid, als alle die andern Kinder. Sie hatte gehört, begriffen und
tief in ihr Herz geschlossen, was er gesprochen.
Ihr Vater, ein armer, braver Mann, hatte, als er die Tochter
in die Schule brachte, die Bedingung gestellt, daß sie vom Unterrichte
im christlichen Glauben ausgeschlossen bliebe. Aber es hätte vielleicht