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87ster Jahrgang.
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Wo. 289.
Morflen-Depeschen.
şş Bcrkèn, 8. Dez. Die „Nordd. Allg.
Ztg." bàsst einen Leitartikel über das
Wesen der Umsturzvorlage und schreibt, es
könne nicht ausschlaggebend sein, daß die
gegenwärtigen Führer einer Partei, wie
die der Sozialdemokraten glauben machen
wollen, sie hätten es auf nichts weniger
als einen gewaltsamen Umsturz der be
stehenden Ordnungen abgesehen. Eben
sowenig dürfe den Stimmen derjenigen
allzu viel Gewicht beigelegt werden, die
ihren Protest gegen den „jetzt beabsichtigten
Anschlag ans die Freiheit der öffentlichen
Diskussion" »damit zu begründen versuchen,
daß sie erklären, die Freiheit der öffentlichen
Meinungsäußerung sei schon jetzt in Teutsch,
land aus das Aeußerste beschränkt. Was
schließlich den Einwurf betreffe, die sozial
demokratische Bewegung würde durch ein
Gesetz, wie das in Frage stehende, nicht
erstickt werden, so sei das ja gar nicht die
Absicht, die verfolgt werde. Es handele
sich vielmehr darum, die wichtigsten natio
nalen Einrichtungen und Sitten, die
Monarchie und die Armee, die Religion
und dasFamilienleben gegen Ausschreitungen
einer Propaganda, die mit den Bestre
bungen irgendwelcher Partei nicht das
Mindeste zu thun haben, besser zu schiitzeu
als bisher.
Königsberg, 8. Dez. Die „Allgemeine
Zeitung" erfährt von zuverlässiger Seite,
der eommandirende General von Werder
habe seinen Abschied nachgesucht und ge-
nehmigt erhalten.
London, 8. Dez. Wie die „Morning-
post" berichtet, hat der Herzog von Dort
einige Tage nach der Geburt seines Sohnes
ein anonymes Schreiben erhalten, in
Ivelchem ihm angekündigt wurde, daß sich
ein Komplott gebildet habe, welches den
Zweck verfolge,, seinen neugeborenen Sohn
zu entfernen. Die Polizei 'läßt infolge
dieses Schreibens die Besitzungen des
Herzogs scharf überwachen.
Warschau, 8. Dez. Es verlautet, die
Zarenwittwe werde auf den Rath ihrer
Aerzte nach Skernevice übersiedeln und
dort längere Zeit verbleiben. Sie wird
.einen eigenen Hofhält erhalten.
Montag, öen 10 December
Außereuropäische (Gebiete.
.Vom asia tischen Kriegs sch a upl a tze
vörlautet in letzter Zeit nur wenig. Nach
dsr 'Einnahme Port Arthur's scheint vor
läufig^ ein freiwilligerZWaffenstillstand ein
getreten zu sein, denn von einem weiteren
Vorrücken der Japanesen auf M u ck d e n
verkantet bislang nichts. Darnach ^ darf
man auf einen definitiven Friedensschluß
nicht eher hoffen, als bis Peking, die
chinesische Hauptstadt, sich in den Händen
der siegreichen Japanesen befindet, deren
Hauptziel die Einnahme dieses wichtigen
Platzes zu sein scheint.
Newyork, 9. Decbr. In Fort Warth
(Texas) griffen drei Strolche einen nach
St. Louis fahrenden Zug an und raubten
140,060 Dollar.
tzrankreilli.
Paris, 8. Dez. Ferdinand v. Lefseps,
der Erbauer des Suezkanals, ist, wie wir
einem Theil unserer Leser bereits berichtet
haben, am Freitag Abend im Alter von
88 Jahren gestorben. Der Tod Leffeps
erfolgte schmerzlos und ohne Kampf.
Rußland.
Ein Liebesdrama ereignete sich in einem
Restaurant in Warschau. Der österreichische
Unterthan Leopold Ezyzewski chat der
Tochter der Restaurantsbesitzerin Wolska
Schwefelsäure ins Gesicht gegossen und
dann den Rest der Flüssigkeit ausgetrunken.
Er verschied in einer halben Stunde. Das
junge Mädchen ist in gräßlichster Weise
im Gesicht verunstaltet. Das Motiv der
That ist verschmähte Liebe.
ältaUeu
Palermo, 8. Decbr. Es hat hier der
Prozeß gegen die „Briganti Maurini"
begonnen, das heißt gegen die Mitglieder
der höchst berüchtigten Bande von S a n
M a uro, deren Häuptling jedoch, der ge.
fürchtete Eaudino, noch immer ein freies
Räuberleben führt. Zwei der vor den
Geschworenem stehenden Banditen, Leonardo
und Botindari, werden in den einlaufenden
Berichten als sehr elegante Gentlemen ge-:
schildert. Eine solche Bande von entmensch
ten Wütherichen hat nicht bald wieder.vor
Gericht gestanden. Die Kerle haben, wie
nian den „Basl. Nachr." schreibt, unge
fähr 50 Mordthaten auf dem Gewissen,
eine grausamer als die andere. Bon meh>.
reren ihrer Opfer haben fie große Suin-i
nien erpreßt, von eine« einzigen .300,000
Franken. Sie mordeten nicht nur Männer,
sondern auch Frauen und Kinder. So off-
neten sie einen, 13jährigen Knaben, dessen
Vater sie für einen Spion hielten, die
Brust, rissen Herz und Lunge heraus und
dann sägten sie ihm den Kopf ab. Die
Zahl der Zeugen beträgt 200, die lucnig-
sten aber werden sagen, was sie wissen,
denn die Furcht vor der Rache der Scheu
sale ist zu groß.
M and.
Berlin, 8. Dez. Ueber den neuen Ju
stizminister Schönstedt schreibt man
uns aus Frankfurt a. M., daß derselbe
dort im Jahre 1883 noch Landgerichts
direktor war. Um jene Zeit wurde er
als Landgerichtspräsident nach Neuwied
versetzt. Bei dem ihm zu Ehren veran
stalteten Festessen hielt der damalige Ober
bürgermeister Miguel eine Rede, in
welcher er die Vorzüge Schönstedt's sehr
hervorhob. Man nimmt in Frankfurt a.
M. an, daß diese Bekanntschaft Miguel's
mit Schönstedt nicht ohne Einfluß auf die
Berufung gewesen ist. Schönstedt ist mit
der Tochter eines holländischen Generals
verheirathet.
— Ueber die Angelegenheit des Herrn
von Kotze hat das „Berl. Tgbl." in dem
Bureau des betr. Rechtsanwalts Nachfrage
gehalten und erfahren, daß man auch hier
nicht das Geringste von einer Entdeckung
des Schreibers der anonymen Briefe weiß,
die vom „Fremdenblatt" mit so großer
Bestimmtheit gemeldet wurde.
— Die „Kreuzztg." äußert sich zur
Umsturzvorlage und erklärt auch den
§ 131 für bedenklich, weil er dem sub
jective» Ermessen des Richters zu weiten
Spielraum gewähre. Sie verhält sich
gegen den Inhalt des Gesetzes nicht grund
sätzlich ablehnend. Allerdings erwartet
sie andererseits, wenn die Vorlage Gesetz
werden sollte, von ihrer Wirkung nur
wenig Erfolg. Die Sozialdemokratie
werde durch dieses Vorgehen gegen sie zu
nächst den Hader in ihrem Lager beseitigen
und sich dann geschlossener zeigen, denn
zuvor und Mittel finden, die Klippen des
Gesetzes zu umschiffen, ohne daß sie nöthig
hatte, mit der Agitation nachzulassen. Ihr
Nährvater sei die Unzufriedenheit, und
zwar nicht ausschließlich die Unzufrieden
heit in den untersten Volksschichten, son-
dern auch diejenige, die dank einer ver
kehrten Gesetzgebung im Mittelstände Platz
gegriffen habe. Nur eine wirkliche, von
christlichem Geiste getragene Sozialreform
könne Besserung bringen.
— Die „Kölnische Zeitung" meint,
daß man die Umsturzvorlage in allen
Einzelheiten genau prüfen muß und daß
sich dabei manche Verbesserung wird an-
bringen lassen. „Vor allem wird man
versuchen müssen, alles, was an ihr kaut,
schukartig ist, in festereGestaltung zu bringen,
um so ?u verhüten, daß aus dem Gesetze
eine Falle werden könne für solche Hand
lungen, die der heutige Gesetzgeber gar
nicht hat treffen wollen. Es ist das um
so mehr Pflicht, als in der Rechtsprechung
unserer Gerichte manchmal eine Neigung
zu weitgehender Auslegung hervortritt, der
man nach Kräften die Gelegenheit zur
Entfaltung benehmen muß."
— Die antisemitische „Staatsbür>
ger-Zeitung" bezeichnet den Gesetz,
entwurf in seiner jetzigen Fassung als un.
annehmbar für jeden, der das Recht der
freien Meinungsäußerung nicht einfach auf.
geben mag. Das sei kein Umsturzgesetz,
sondern die Knebelung von Wort
und Schrift in unbegrenzter
Weise. Eine bedenkliche Rechtsunsicher,
heit würde Platz greisen, wenn man nicht
mehr die auf manchesterlichen Theorien in
wirthschaftlicher Beziehung ausgebaute Ge.
setzgebung bekämpfen könne. Die Ausdeh.
nung des H 131 wäre nur in einem idealen
Staatswesen am Platze und auch nur,
wenn wir Richter hätten, die über mensch
liche Irrthümer erhaben wären.
— Auch die „Berliner Neuesten
Nachrichten", das Organ der persönlichen
Gefolgschaft des Fürsten Bismarck, sind
mit der Umsturzvorlage, welcher so dehn
bar sei, daß er in dieser Form nicht zum
Gesetz erhoben werden könne, nicht einver.
standen. Alle Parteien des Reichstags
seien gleichmäßig daran interessirt, jedem
Mißbrauch vorzubeugen, der in Zeiten
hochgehender politischer oder konfessioneller
Bewegung vielleicht unvermeidlich sein
würde.
— Zur sogenannten Umsturzvorlage
sagt der „Vorwärts": Komme das Ge
setz zu Stande, so werden zweifellos neue
verschärfte Quälereien und Verfolgungen
über unsere Genossen in Deutschland über,
all hereinbrechen und mancher mißliebige
Publizist oder Agitator der anderen
Parteien wird nebenbei sein Theil ab
kriegen; aber nur eine unglaubliche Kurz-
sichkigkeit könne glauben, daß durch solche
Verfolgungen die Sozialdemokratie ge
schädigt, die Arbeiterbewegung gehemmt,
der Sieg des Sozialismus verhindert
iverden könnte. In den gestrigen lärmenden
Scenen der Reichstagssitzung will der
„Vorwärts" ein byzantinisch eingeleitetes
Manöoer der Agrarier und Schlotjunker
1894.
für ihre Raubzüge am Volke erblicken.
Daß die Sozialdemokraten durch ihr Ver
halten dieses Mannöver veranlaßt haben,
ignorirt das Blatt,
— Die unter der Aegide des Ministers
v. Köller ins Leben tretende, von Dr.
Sachs redigirte officiöse „Berliner
Correspondenz" erscheint zum ersten
Mal am Dienstag den 11. d. M.
— Die Affäre „Kreuz-Zeitung ".
Harnack" scheint den Professoren der
hiesigen Universität einen gelinden Schrecken
eingeflößt zu haben. Verschiedene derselben
haben in ihren Vorlesungen der letzten
Tage, wenn sie über etwas Allgemeines
ihre persönliche Ansicht aussprachen, die
Bemerkung hinzufügt, daß dasjenige, was
sie gesagt hätten, aber nicht — für die
Zeitung sei.
Berlin, 8. Decbr. Nach etwa einstün-
diger Berathung sprachen die Geschwore
nen im Mordprozeß Thiede den Ange-
klagten des Mordes der Helene Schweichel
uichtschuldig, dagegen schuldig der
übrigen Strafthaten. Bei dem Verbrechen
der Nothzucht wurden dem Angeklagten
mildernde Umstände versagt. Der Staats
anwalt beantragte eine Gesammtstrafe von
zwölf Jahren und drei Monaten Zucht
haus sowie zehnjährigen Ehrverlust. Das
Urtheil lautete aus acht Jahre Zuchthaus
und zehnjährigen Ehrverlust. Thiede zeigte
nicht die mindeste Gemüthsbewegung, als
ihm der Spruch der Geschworenen bekannt
gegeben wurde. Auch den Antrag des
Staatsanwalts, ihn wegen des Sittlich
keitsverbrechens zu zwölf Jahren Zucht
haus zu verurtheilen, hörte er ziemlich ge
lassen an. Als aber der Staatsanwalt
weiter wegen der verübten Urkundenfäl
schung zwei Monate gegen ihn beantragte,
da zuckte er zusammen und machte eine
Geberde des Unwillens. Auf die Frage
des Vorsitzenden, was er gegen das bean
tragte Strafmaß einzuwenden habe, ver
wahrte er sich auch nur dagegen, wegen
Urkundenfälschung bestraft zu werden. Als
das Urtheil verkündet wurde, erklärte er,
dasselbe nicht annehnien zu können.
Wenig ergiebig ist jetzt die Jagd um
Berlin. Daß die Jäger des Morgens
frohgemuth ausziehen, um Abends mit
leerer Jagdtasche zurückzukehren, ist keine
Ausnahme mehr, sondern die Regel. Am
Donnerstag erlegten sechs Schützen wäh-
rend einer Treibjagd im Laufe des ganzen
Tages ganze zwei Hasen; gestern kehrte
eine Jagdgesellschaft in Stärke von zehn
Der Detects».
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich
-Nmnundzwanzigstes
Zch kannte ihn früher eiumal
An wöchentlich zwei Nachmittagen .ertheilte
Emilie Orlowsky ihren Malunterricht in der
Regcntenstraßc. Cäcilie hatte sich ein geräu
miges Zimmer .mit Nordlicht, welches in
ihren Kinderjaren als Schulzimmer gedient
hatte, zum Atelier einrichten lassen, und dort
war sic jetzt, etwas mehr als eine Woche
nach jener stürmischen Unterredung zwischen
ihrem Verlobten und ihrer Tante, zusammen
mit Fräulein Orlowsky. Von Anfang an
hatte die Lehrerin sich große Mühe gegeben,
die Freundschaft oder wenigstens das Ver
trauen ihrer Schülerin zu gewinnen, aber bis
jetzt war ihr das nicht gelungen. Die Zurück
haltung Cäciliens entsprang weniger einer
wirklichen Abneigung als einer Art instink
tiven Mißtrauens gegen diese in ihren Auge»
recht unwcibliche und unfeine Malerin.
„Fräulein Orlowsky gab sich den Anschein,
als ob sie gar nichts von dieser Zurückhaltung
bemerkte, sondern bemühte sich unablässig, das
Vertrauen ihrer Schülerin zu gewinnen. Aus
der Haltung ihres Nachbars gegen Cäcilie,
als sie beide zusammen in ihrem Atelier
waren, sowie aus einer gewissen Verlegenheit
im Wesen der jungen Dame, wenn sein
Name genannt wurde, und ihrem offenbaren
Vergnügen, wenn sie ihn lobe» hörte, gelangte
Fräulein Orlowsky zu der Ueberzeugung, daß
Cäcilie Hugo von Markwald liebte. Daher
bildete er bald den Hauptgcgcnstand ihrer
-y Unterhaltung, und immer wieder wußte sie
neues zu seinem Ruhme zu berichten. Emilie
Orlowsky sprach hauptsächtlich von seinen
hervorragenden Kunstleistuugen oder der Vor.
züglichkcit seiner Gemälde, von dem Ruhme
und Reichthum, der seiner sicher in der Zu
kunft wartete. Cäcilie sprach in ihrer Un
befangenheit mehr von seiner vornehmen Er
scheinung, seinem gewinnenden Wesen, seinem
edlen Herzen, und ohne etwas davon zu ahnen
oder cs direkt auszusprcchen, zeigte sic bald
ganz rückhaltlos, wie innig sie ihn liebte.
Und als Fräulein Orlowsky sic dann eines
^.ages geradezu fragte, ob sie mit ihm verlobt
'wäre, konnte sie auch nicht mehr umhin, diese
Thatsache einzuräumen.
Nun das Eis einmal gebrochen war, be
achtete Cäcilie gar nicht mehr ihr instinktives
Mißtrauen gegen ihre Lehrerin, sondern froh,
von dem Manne sprechen zu können, der all
ihr Denken und Empfinden erfüllte, und
Zugleich auch sein Lob von anderen Lippen
zu hören, sprach sie von allem Möglichen,
was ihm und ihr selber in Verbindung mit
ihm seither zugestoßen war. Der Wunsch
ihrer Tante, daß sic Karl von Foerstcr
heirate» sollte, der schreckliche, geheimnisvolle
Tod ihres Vetrers, Hugos Liebe und der
düstere Verdacht, der jetzt auf ihin lastete,
dann die Bewerbung von Graf Alexander,
kurz, alles dies wurde der Künstlerin erzählt
nicht auf einmal oder im Zusammenhang,
ondern allmählich, in einzelnen gelegentlichen
Aeußerungen, die Fräulein Orlowsky ohne
Schwierigkeit mit einander zu verknüpfen und
u ergänzen wußte, bis sie schließlich über
alles, was Hugo von Markwald irgendwie
betraf, genau unterrichtet war. In der That
war auch Cäcilie sich dessen gar nicht bewußt,
wie viel sie ihrer Lehrerin anvertraut und ivic
vollständig sic ihr das Netz gezeigt hätte, in
dessen Maschen Hugo jetzt hoffnungslos ver
wickelt zu sein schien.
„Wie schrecklich es doch ist, daß man es
wagt, Herrn von Markwald in solchem Ver
dacht zu haben," bemccke Fräulein Orlowsky
an diesem Nachmittag.
Dabei blickte sie anscheinend auf die Kopie
eines Porträts, mit der Cäcilie eben beschäf
tigt war. In Wirklichkeit weilten ihre Ge
danken jedoch gar nicht bei dieser Arbeit,
sondern waren völlig mit ernsteren und für
sie wichtigeren Dingen beschäftigt. Auf schlaue,
geschickte Weise, ohne daß Cäcilie auch nur
das geringste davon merkte, hatte die Malerin
das Gespräch allmählich wieder zu diesem
Thema zurückgeführt und war jetzt fest ent
schlossen, es nicht eher fallen zu lassen, als
bis sie eine gewisse Auskunft erhalten hatte,
nach der sie dringend verlangte.
„Ja," erwiderte Cäcilie mit einem tiefen
Seufzer, schien dann im Begriff, etwas hin
zuzufügen, besann sich aber bald eines ande
ren und schwieg.
„Es ist eine schreckliche Prüfung und Heim-
uchung für ihn und für Sic nicht minder."
„Gewiß," antwortete Cäcilie, und dabei
traten ihr die Thränen in die Augen.
„Aber sicherlich muß doch irgend etwas
geschehen können, um ihn von diesem Ver
dacht zu befreien, der, wenn er nicht beseitigt
wird, ihm sein ganzes Leben zerstören kann."
„Er hat alles gethan, was in seinen Kräf
ten stand, aber cs scheint ihnffimmöglich, den
Mörder zu entdecken —"
„Gewiß, allein und ohne Hülfe wird er
wohl machtlos sein. Aber hat er denn nicht
die Dienste eines in solchen Dingen erfahre
nen Mannes in Anspruch genommen, der
ihm den Mörder aufspürt?
„O ja, er ging sofort zu einem Herrn
Gillwaldt —"
„Was, zu hem früheren Kriminalkommissar
Gillwaldt?" unterbrach sie die Künstlerin
heftig, dabei wie erschreckt einen Schritt zurück
tretend.
„Haben Sic denn schon von dem Manne
gehört?" fragte Cäcilie etwas verwundert,
dabei eifrig an ihrer Kopie malend und ihre
Lehrerin nicht weiter beachtend.
„Gewiß, den Namen kennt doch wohl Je
der."
„Ich hatte früher nie von ihm gehört. Er
ist jetzt außer Diensten, aber als Hugo ihn
aufsuchte, interessirte er sich so sehr für den
Fall, daß er ihn selbst in die Hand zu neh
men beschloß. Hugo machte auch solchen ge
winnenden Eindruck auf ihn —- Jeder muß
ja Hugo gern haben."
„Natürlich," erwiderte Fräulein Orlowsky
mit etwas unsicherer, heiserer Stimme. „Also
Gillwaldt verließ um Ihres Freundes willen
seine beschauliche Ruhe. Und hat er denn
auch irgend etwas geleistet?"
„Er fand die Spur des Mörders —"
-Was!" rief die Künstlerin heftig erregt.
Durch den Ton ihrer Stimme nicht wenig
überrascht wandte Cäcilie sich hastig um und
blickte auf ihre Lehrerin, die sich jedoch gleich
zeitig von ihr ab und zu einem Seitentisch
chen gewandt hatte, um von dort eine frische
Farbeutubc zu holen. „Das freut mich un
gemein," flüsterte sie dabei, während sie sich
über das Kästchen mit Farben beugte und
die gewünschte Tube heraussuchte, „daß Herr
von Markwald dadurch bald von allcni Ver
dacht befreit sein wird."
„Nein," antwortete Cäcilie, „so günstig
liegt die Sache nicht. Denn unglücklicherweise
fand Gillwaldt die Spur des Mörders vom
Bahnhof Friedrichstraßc bis zum Vereinshause
in der Oranienstraße und von da bis zum
Oranienplatz. Dort aber yat er sic wieder
völlig verloren."
Fräulein Orlowsky wandte sich jetzt in
ruhiger Gelassenheit wieder um, trat neben
ihre Schülerin und fragte: „Und was that
Gillwaldt dann?"
„Ich glaube, er reiste dann nach Monte
Carlo und Paris, um die Spur des Mörders
von dort aus zu verfolgen."
„Nach Monte Carlo?"
„Ja, denn er war überzeugt, daß der Ge
suchte bald wieder nach Monte Carlo zurück
kehren würde, wo er seinem Opfer zuerst be
gegnete."
„Aber Gillwaldt hatte doch keine Photo
graphie des Mörders, wie kann er da hoffen,
ihn zu erkennen?" fragte die Künstlerin mit
lebhaftem Interesse.
Eine Photographie hatte er allerdings
nicht, aber er besaß eine ganz genaue Perso
nalbeschreibung desselben."
„Also eine Personalbeschreibung — nun,
die wird ihm nicht viel helfen — denn so
zahlreiche Menschen schm einander ähnlich.
Bis jetzt hat er also noch Niemand verhaftet?"
„Nein. Er kam schleunigst nach Berlin
urück, als er von dem schrecklichen Ucbcrfall
hörte, der in der einen Nacht im Thiergarten
auf Herrn von Markwald ausgeführt wurde."
Fräulein Orlowsky brach plötzlich in ein
heiseres, mißtönendes Lachen aus, so daß
Cäcilie sie höchst erstaunt und mißbilligend
anblickte.
„Ich bitte sic sehr um Entschuldigung,"
rief die Künstlerin, sich gleich wieder fassend,
„aber die Vorstellung, wie enttäuscht dieser