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Von einer solchen Wirkung ist in der di. Ma. nichts
zu spüren. Hier wird nicht die musikalische Geltung der
verlorengegangenen Silbe ersetzt, sondern lediglich ihre
dynamische Bedeutung, und das geschieht durch Verlängerung
des Vokals der Stammsilbe. Diese Verlängerung ist so be
trächtlich, dass das jetzt einsilbige Wort vollständig den
Quantitätswert des zweisilbigen behält. So erfordert z. B.
die Aussprache von brüd (er braut) genau so viel Zeit, wie
einst brüwet in Anspruch genommen haben mag.
Überlänge trat ein, wenn auf einen langen Vokal oder
Diphthongen ein ursprünglich stimmhafter Konsonant folgte.
Voraussetzung ist dabei immer Synkope eines unbetonten e.
Wurde dagegen das Gewicht der geschwundenen Silbe wie
bei r und l durch Bildung einer neuen, a und J, ersetzt, so
entstand keine Überlänge. Auch bei m und n lässt sich
das Gesetz nur schwierig konstatieren, da sie nach jedem
langen Vokal silbenbildende Tendenzen zeigen.
Beispiele:
Mid (mnd. bilde) freundlich : fid (mnd. tit) Zeit.
stix (steige) mnd. sllge : stix (Steig).
brüd (braut) mnd. brüwet : brüd (Braut) mnd. brat.
stuf (Stube) : stuf (stumpf) innd. stuf.
zei biidri (sie bauten) mnd. bmveden : budn (draussen)
mnd. buten.
mys (Mäuse) mnd. müse : müs (Maus).
fred (Friede) mnd. frede : fred (fresse) mnd. fr et.
nöd (Gnade, Linderung) mnd. näde : nöd (Naht) mnd.
nät.
hef (Habicht) mnd. havek
vald (Weide) mnd. weide
hold (Haide) mnd. beide
aid (Egge) mnd. egede
mais (Meise) mnd. wese
moild (müde) mnd. mode
: heb (Hoffnung).
] : Haid (keck) mnd. *keit
j (vgl. Kluge etym.Wb.199).
mciis (beinahe) mnd. mest.
moid (Begegnung) mnd. mote
und zoid (süss) mnd. sote.
Häufen lassen sich die Beispiele für Überlänge in Di.
durch die Fälle, wo die mnd. Endsilben -men, -nen, -gen,
-ben, -den nach langem Stammvokal reduciert sind: