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Wir sahen, dass der Vormund verpflichtet ist, die aus
stehenden Kapitalien rechtzeitig, d. h. so früh einzuziehen, dass
keine Verluste eintreten. 77 ) Unter vorläufiger Ausserachtlassung
der 1 39 § 14 nehme ich an: Der Vormund hat leichtsinnig ein
Kapital maioribus usuris (d. h. zu einem ungewöhnlich
hohen Zinsfusse) unsicher angelegt; eine Zeit lang ergiebt sich
ein hoher Zinsgewinn, dann tritt ein Kapitalsverlust ein. Wenn
nun das Mündel bei Beendigung der Vormundschaft wegen des
leichtsinnigen Kreditierens auf Schadensersatz klagt, so
kann es auch nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass die
höheren Zinsen bei Berechnung des Schadens mitzuberücksichtigen
sind (ein und dieselbe Handlung hatte einen Vorteil und einen
Nachteil zur Folge, aus deren Vergleichung sich erst der Schaden
ergiebt: Vorteilsimputation). Wie aber, wenn das Mündel auf
Schadensersatz klagt wegen der Unterlassung der recht
zeitigen Zurücknahme des Kapitals? Hier muss man doch
sagen: Der Vorteil (die usurae majores) ist nicht Folge der
schädigenden Handlung (Unterlassung); auch wenn die schädigende
Handlung (Unterlassung) unterblieben wäre, würde der Vorteil
gemacht worden sein. Vorteil und Nachteil sind zwar Folge der
leichtsinnigen Anlage des Kapitals, aber das Mündel klagt gar
nicht auf Grund der leichtsinnigen Anlage, lässt es unbeachtet,
dass der Vormund schon bei der Anlage des Kapitals pflichtwidrig
verfuhr, und macht nur die Unterlassung der rechtzeitigen
Zurücknahme des Kapitals geltend. Der Fall liegt demnach
ganz ähnlich wie der Fall der 1 16: Nachteil aus der vom Mündel
ins Feld geführten schädigenden Handlung (Unterlassung); Vor
teil aus einer anderen Handlung. Diese beiden Handlungen
stehen in noch viel engerer Beziehung zu einander als die der
1 16. Dass die schädigende Handlung das eine Mal (1 16) nach
lässige Anlage, das andere Mal nachlässige Unterlassung der
Zurücknahme ist, kann keinen Unterschied machen: in dem
letzteren liegt an sich keine gravierendere Verschuldung als im
ersteren. — Demgemäss ist man meines Erachtens voll berechtigt,
sich durch die Analogie des Falles der 1 16 die Entscheidung
diktieren zu lassen: Steht das Kapital, unsicher wie es ist, bei
Beendigung der Vormundschaft noch aus, so dass sich der zu
erwartende Schaden noch nicht abmessen lässt, so muss man
77 ) S. oben zu Anm. 13 und die dort zitierten Stellen.