Full text: (1913)

— 9(5 — 
nun erzählt ihm jeder Zaun und jeder 
Graben, jeder Steg und jeder Baum etwas 
von dem großen Heldenlied unentwegten 
Kampfes, den Männer vor ihm auf seines 
Ackers Breiten mit der Natur, mit Not 
und Tod gekämpft haben nnd Nachfahren 
einst kämpfen werden und Johann fühlt 
sich nicht mehr klein. Er sieht sich als Glied 
in der Kette, als Streiter im Heer. Das 
verdankt er seinem Familienstammbuch. 
Johann ist nur ein schlichter einfacher klei 
ner Kätner. Je größer der Besitz ist, je 
ausgebreiteter die Familie, um so wert-- 
voller ist es zu wissen, von wem man 
stammt. Wer die Fehler und Tugenden 
seiner Vorfahren kennt, wird leichter wis 
sen, in welcher Beziehung er an sich zn 
arbeiten hat, wo seine Begabung und sein 
Mangel liegt. Wer seine. Vorfahren kennt 
und weiß, daß vielleicht schon neun Gene 
rationen vor ihm an derselben Stelle 
schmiedeten oder dieselbe Scholle pflügten, 
der wird auch nicht so leichtherzig die 
Stätte seines Geschlechtes verlassen. Dem 
braucht man nicht Heimatsschutz anzu 
empfehlen, der schützt sich von selbst, weil 
er sie liebt als den Boden, darauf er ge 
wachsen -ist. 
e 
Wie die lübschcn Herren in Stakendorf 
den Zehnten holten. 
Alle Jähre gegen Fastnacht schickte der 
lübsche Senat einige Herren, die in der 
Probstei alles nachsehen mußten und die 
Zehnten nnd Abgaben holten. Als sie ein 
mal nach Stakendorf kamen, waren die 
Lenke gerade dabei und feierten Fastnacht. 
Ta gingen die alten Herren mit ins Gilde 
haus und die Bauern räumten ihnen den 
Ehrenplatz unter dem Schwibbogen am 
großen Feuer ein. Ta es noch kalt in der 
Jahreszeit, das Probsteier Getränk aber 
nicht schlecht war, so geschah, daß von dem 
vielen Herumgehen des Kruges mit dem 
heißen starken Bier und Meth die alten 
Herren schläfrig wurden und endlich ein 
nickten. Taß sie betrunken gewesen seien, 
will ich nicht behaupten. 
Tie jungen Leute aber dachten mm, 
sich einen spaß zu machen: sie bohrten in 
die beiden Pfosten, die neben der Feuer 
stelle standen und den Schwibbogen tru 
gen, so viele Löcher als Herren da waren, 
stopften dann ihre langen Bärte in jedes 
und schlugen einen Pflock dazu hinein. 
Die alten Bauern mögen wohl geschlafen 
haben oder hatten auch ihren Spaß mit 
daran. 
Als sie nun meinten, die Herren hätten 
ansgeschlafen, machten sie plötzlich einen 
erschrecklichen Lärm, bliesen in die Wald 
hörner und schrien, das Haus brenne. Da 
fuhren die Herren aus dem Schlaf und kei 
ner hat seinen Bart wieder mit nach Lübeck 
gebracht, noch ist einer wieder gekommen, 
um von den Stakendorfern Geld zu holen. 
Andere sagen, es sei dieses auf dem 
Gute Schmoel geschehen und der Lübecker 
Senat über die Bosheit der Bauern so er 
zürnt worden, daß er das Gut verkauft 
habe und damit die Bauern alle zu Leib 
eigenen gemacht habe. 
Die teure Zeit. 
An der Chaussee von Eutin nach Ol 
denburg, dreiviertel Meilen von ersterer 
Stadt, au einem hügeligen Orte liegt eine 
kesselförmige Vertiefung, deren Wasser der 
Abfluß fehlt. Sie heißt „die teure Zeit". 
Denn für den Kornhandel sagt sie untrüg 
lich die Preise vorher. Vor hundert Jah 
ren kamen am Maitagmorgen die Hambur 
ger Kornkaufleute da zusammen und sahen 
nach, wie es stand. War viel Wasser darin, 
gab es hohe Preise, war aber nur wenig 
oder fallendes da, dagegen niedrige. 
Auch in einem Gehölz bei Preetz ist eine 
Grube, aus der man für den Sommer 
prophezeit: viel Waller im Frühjahr macht 
ihn trocken, wenig Wasser naß. Eine eben 
solche Grube findet man im Gute Gamp 
im Lande Oldenburg.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.