Full text: (1913)

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Nun werden die Vögel munter, sie 
finden rn den Dornen und in den Löchern 
der knorrigen Wurzelstämme sichere Ver 
stecke für ihre Nester. Das Goldammer 
pärchen nistet unten im dichten Gras, der 
Zaunkönig hat sein Schloß im Astloch des 
alten Eichenstemmels, der Hänfling wohnt 
im dichten Schwarzdornstrauch und die 
Drossel ist sein Nachbar. Aber es haben 
noch viele andere gute Sänger im und am 
Knick ihr Heim. Sie singen aber nicht nur, 
sie haben auch wacker zu arbeiten, wenn sich 
im Nest die niinniersatte Brut drängt und 
den ganzen Tag die gelben Schnäblein 
weit aufsperrt. Wie viel Ungeziefer, das 
unsere Obstbäume schädigt, schleppen sie 
dann herbei! Man soll diesen Nutzen nicht 
gering schätzen, weil man ihn ohne Gegen 
leistung hat. Tie Obstbaumzucht gewinnt 
doch überall im Lande an Bedeutung. Den 
Schaden merkt man meist erst, wenn es 
zu spät ist. — Ich las kürzlich im „Schlei 
boten", daß man in einem Torf von der 
Sparkasse geschenkte 50 dl dazu verwen 
det, künstliche Niststüttcn zu schaffen. Wird 
das schon für nötig erachtet im Lande der 
Knicks?! Laßt die Sänger und Fänger 
nicht obdachlos werden! — Freut euch ihrer 
Lieder, wenn Ihr im Sommer hinterm 
Knick liegt und herausschaut in das Laub- 
gewirr, das von wilden Rosen und Je- 
länger-Jelieber durchwebt ist! Und dankt 
ihnen für ihre Arbeit, wenn der Herbst 
kommt und euch im Garten Früchte be 
schert! 
Wie reich ist dann der Knick! Er gibt 
den Buben Haselnüsse; aber auch die Mei 
steren verschmähen es nicht, mit den Nuß- 
haken auszuziehen. An den wilden Rosen 
büschen hängen dann leuchtend rote Hage 
butten. Tie Kundigen wissen, wo im Felde 
„Kreten" (Mirabellen) zu finden sind: hier 
und da steht auch ein Apfelbaum, um den 
sich sein Herr nicht weiter kümmert, und 
der darum jedermann gehört. Tie Haus 
mutter aber legt Wert darauf, einige 
Körbe voll Fliederbeeren zu bekommen, es 
wird aus ihnen Satt gemalt, auch werden 
sie getrocknet. Großen Reichtum aber bie 
ten die Knicks an Brombeeren. Und was 
für eine herrliche Frucht ist die Brombeere! 
Scbade, daß viele Tausende davon abfallen 
oder am Stengel verderben, weil es an 
fleißigen Händen fehlt, sie zu pflücken. 
Selbst die Schlehen schätzt der Kennen 
wegen des aromatischen Tranks, der sich 
aus ihnen bereiten läßt. So ein fürsorg 
licher Freund der Familie ist der Herbst 
knick. Eine Menge der verschiedenartigsten 
Schätze birgt er unter seinem Mantel, der 
noch einmal in wunderbar freundlichen 
Farben aufleuchtet, ehe die Winterstürme 
die bunten Flitter abreißen und über die 
Felder fegen. 
Dann aber geben seine Blätter manch 
zartem Pflänzlein Schutz gegen des Win 
ters Härte, und manchem Tierlein geben 
sie eine Decke. Im Knick aber finden die 
Vögel immer noch den Tisch gedeckt. Ma 
ger ist zwar die Kost, aber die Schlehen, 
die bis tief in den Winter hinein sitzen 
bleiben, und die Hagebutten schützen doch 
vor dem ärgsten Hunger. Wer jetzt an 
den Knicks entlang wandert, der sieht, so 
recht, wie viele Vögeln sie zum Brüten 
Schutz gaben: Jetzt entdeckt man.Nester 
an Stellen, wo inan sie im Sommer gar 
nicht vermutete, weil sie von Laub und 
Kraut völlig eingeschlossen waren, jetzt erst 
sieht man, wie unsere Vegelwelt arm 
würde, wenn man ihr die Nistgelegenheit 
in den Knicks raubte. 
Wenn wir dies alles unsern lieben 
Laüds- und Landleuten so recht eindring 
lich vor Augen führen, so muß das hier 
und da doch einigen Eindruck machen! — 
Eisern und schelten nützt nichts, das ver 
bittert. Aber wenn wir ruhig und sachlich 
die Vorteile den Nachteilen gegenüber 
stellen, so kann das helfen. Wo dann doch 
so ein altes moosgrünes und efeunm- 
lvobenes Naturdenkmal fallen muß, weil 
der Weg verbreitert werden muß, oder wo 
aus anderen Gründen seine Breite be 
schränkt werden muß, da lege man für eine 
Weißdornhecke ein gutes Wort ein. ■— 
Nicht für eine viereckig-geschnittene, son 
dern für eine, die hoch gebt. Es ist das 
für uns kein vollwertiger Ersatz für einen 
Knick - beileibe nicht! — aber es ist doch 
etwas. - - Ueberall aber, wo einem Knick 
Gefabr drobt. wo die Nachteile schwerer 
zu wiegen scheinen, als die Vorteile, da 
lege man all die unwägbaren Werte in die 
Waaschale, die für jeden ins Gewicht 
fallen, der seine Heimat und ihre Eigenart 
liebt, dann dürfte doch in manchen Fällen 
das Zünglein der Wage nach der Seite der 
Knicks ansichlagcn.
	        
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