HISTORIKERTREFFEN OSLO :
Im eigenen Saft
Alle drei bis vier Jahre versuchen die Historiker und rinnen aus Island , Dänemark , Norwegen , Schweden und land Forschungsergebnisse auszutauschen . Vom 13 . bis 18 . August fand in Oslo das mit etwa 400 Teilnehmern größte Treffen statt .
Christoph Anz
Angesichts der politischen derungen in Osteuropa war es nicht verwunderlich , daß auf dem letzten Treffen in Umeâ als zentrales ma der „ Norden und das Baltikum " schlossen wurde . In drei Sektionen , die je einen halben Tag dauerten , sollte nun die Geschichte der Beziehung zwischen sen beiden Regionen und die gegenseitige Bedeutung von der Zeit der Wikinger bis ins 20 . Jahrhundert hinein untersucht und diskutiert werden .
Trotz intensiver Bemühungen einzelner Beteiligter - insbesondere des Koordinators dieser Sektion , Aleksander Loit aus holm , - wurde weder ein umfassendes Bild entworfen noch auftauchende che Fragestellungen erörtert . Die sicherlich nicht nur für Historiker spannende Frage , inwieweit die Ostsee als eigenständige heit betrachtet werden darf und wenn ja , ob Norwegen dann noch dazuzähle , wurde zwar gestellt aber nicht diskutiert . Auch die Teilnahme von Historikern aus dem kum führte nicht zu einer weitergehenden Auseinandersetzung .
Das ohne Zweifel aktuellste und auch politisch interessanteste Thema des gresses wurde zwar über insgesamt halb Tage verhandelt , konnte den rern aber trotzdem kaum mehr als Einzelinformationen vermitteln . sche Fragen oder grundsätzliche stellungen wurden ebensowenig diskutiert
Christoph Anz ist Doktorand am Max - Planck - lnstitut für Geschichte in Göttingen .
wie Bezüge zur aktuellen ( politischen ) tuation hergestellt . Auch die Chance , als Historiker fundierte Grundlagen für re gesellschaftswissenschaftliche Fächer oder gar für die Politik zu legen , wurde nicht wahrgenommen .
Ähnlich enttäuschend verlief eine der deren Hauptsektionen , in der über „ men und soziale Kontrolle ca . 1550 - 1850 " diskutiert wurde . Neben den auch hier wiegend theorieschwachen Beiträgen ernüchterte vor allen Dingen die Tatsache , daß Diskussionen zu dieser Thematik , die in den letzten Jahren im anglo - amerikani - schen oder im deutschsprachigen Raum führt worden sind , kaum Berücksichtigung fanden .
Ausnahme : Frauen
Allerdings gab es auch einige „ lights " , zu denen ohne Zweifel das dritte Hauptthema wegen der gründlichen bereitung und der hervorragenden führung zu zählen ist . Der Titel lautete „ Von der Frauen - zur schichte ? " Entsprechend kontrovers ren die Vorträge und Diskussionsbeiträge . Deutlich wurde , daß sich gerade auf dem Gebiet der frauenspezifischen forschung in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren im gesamten Norden eine Menge bewegt hat . Abzulesen ist dies an der Zahl der veröffentlichten Beiträge wie an den bewilligten Finanzmitteln und Planstellen . Alle beteiligten Historikerinnen waren mit den theoretischen Fragestellungen nicht nur vertraut , sondern suchten diese durch
eigene , dem jeweiligen menhang entnommenen Überlegungen zu erweitern oder zu spezifizieren . Keine dere Sektion war so intensiv eingebunden in die internationale sion .
Die in kleinerem Rahmen organisierten und meist auch thematisch und zeitlich enger gefaßten Halbtags - Sektionen waren in ihrem Niveau ebenso unterschiedlich wie die zahlreichen freien Vorträge , die den einzelnen Wissenschaftlern und senschaftlerinnen eine Plattform boten , aktuelle Forschungsergebnisse zur sion zu stellen . Auch hier mußte tiert werden , daß die Themen sich wiegend mit rein nordischen Ereignissen befaßten und komparative gen eher die Ausnahme bildeten . Selbst Vergleiche innerhalb des nordischen bietes sind bis heute nur selten führt worden . Dennoch scheint , nicht letzt wegen der möglichen EU - schaft , das Interesse am Austausch mit Kontinentaleuropa oder dem anglo - ameri - kanischen Wissenschaftsbereich zu gen . Für Forschungsaufenthalte im land fehlt aber - nicht nur in Finnland - häufig das notwendige Geld , so daß hier den Wünschen ( und Erfordernissen ) leider allzu enge Grenzen gesetzt sind .
Um Kontakte zu nicht - nordischen senschaftlern zu verstärken oder haupt erst zu knüpfen , soll auf dem sten Nordischen Historikertreffen 1997 in Tampere eine Sektion über die „ Sicht auf den Norden " veranstaltet werden . Es bleibt zu hoffen , daß die auch in der schlußveranstaltung mehrfach geäußerte Kritik der „ Provinzialität " der nordischen Geschichtswissenschaft durch solche sätze nicht nur in Einzelgebieten , sondern auf breiter Front aufgebrochen wird . Doch so , wie hier fast ausschließlich nordische Geschichte diskutiert wurde und der Blick für außer - nordische Themen erst noch schärft werden muß , hat auch die schichtsforschung im übrigen Europa den Norden bislang sträflich außer acht sen ( von den üblichen Ausnahmen , die die Regel bestätigen , auf beiden Seiten einmal abgesehen ) . Es scheint fast , als müßten beide Seiten erst noch erkennen , weiche Bedeutung der Norden für die wicklung Europas gehabt hat und hin haben wird . Die aktuellen politischen Ereignisse sollten eine willkommene ausforderung sein . ■
Nr . 4 , 1994
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