DEUTSCHLANDBILD IN SCHWEDEN :
Der heiße Stuhl
Fußballweltmeisterschaft 1994 . Viertelfinale der deutschen Mannschaft gegen Bulgarien . Nach einem Handspiel Völlers im Strafraum wechselt einer der beiden schwedischen mentatoren zur deutschen Sprache über : „ Ach du mein Hans - Hubert , was ist los ? "
Frank - Michael Kirsch
Mit Deutsch ist im schwedischen
Fernsehen gemeinhin wenig los .
Journalisten , die es in deutsche Gefilde verschlägt , schießen sprachlich ganze Vogelscharen ab , wenn das ihnen so vertraute Englisch beim chenbiederen Gesprächspartner auf taube Ohren stößt und zum Hervorkramen von abgelagertem Schuldeutsch zwingt . aus erwachsende Situationskomik ist dann allerdings schon wieder vergnüglich und versöhnt . Gemäß der antimondänen und pragmatischen schwedischen Art , Fernsehen zu machen , landen selbst liche sprachliche Fehlleistungen nicht im Papierkorb unter dem Schneidetisch . Wie auch ? Die da schneiden , nehmen sie nicht wahr ; der schwedische Untertitel wird's später schon richten . . .
Ohne Parabolantenne ist man schmissen , hat man den extravaganten Wunsch , Fernsehsender des immerhin größten schwedischen Handelspartners empfangen zu wollen . Im Grundangebot des schwedischen Kabel - TV ist kein sches Programm vorgesehen . Im teuren Zusatzangebot TV - Mix kommt die sche Welle , früher einer der neun bzw .
jetzt zehn Kanäle , nicht mehr vor . RTL und SAT 1 , man höre und staune , drängen sich dann in einem weiteren bot mit RAI UNO , einem italienischen Sender , dessen reichhaltige amerikanische Produktionen zusätzlich codiert an den geneigten Zuschauer gebracht werden . Die zweieinhalb Kanäle sind zu einem ket verschnürt , das den markigen Titel Euro - Mix trägt . Europa , gute Nacht .
schwedisch mufflig sind die Auskünfte , als ich die marktführende Firma nach dern wie ARD , ZDF und 3SAT befrage . Man kennt sie wohl nicht , und man will sie auch nicht kennenlernen .
Das wenige in und über Deutschland Produzierte jedoch , das die gottseidank noch immer reklamefreien schwedischen Programme Kanal 1 und TV2 senden , die an ein Abkommen mit dem Staat den sind , ist dagegen fast uneingeschränkt von hoher Qualität . Die Ausstrahlung von Edgar Reitz Heimat und Die zweite mat wäre hier zu nennen ( erstere bereits als Wiederholung ) , mehrere Produktionen zu Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg , wobei mir besonders Erwin Leisers Pimpf war jeder und eine lige Serie über Leni Riefenstahl in rung blieben , weiter die Erstsendung in Deutschland gedrehter Dokumentarfilme über Neonazis und Fremdenhaß , und nicht zuletzt auch engagierte nen des Schwedischen hens , beispielsweise zum Leben scher nach der deutschen Einheit . Auffällig ist das Fehlen humoristischer Beiträge aus Deutschland , wodurch leider das durch schwedische bücher kaum entkräftete und so falsche Bild der humorfreien Zone Deutschland bestätigt wird . Paßt deutscher Humor nicht nach Schweden ? Bevor man dies guten Gewissens bejahen kann , sollten LORIOT und Otto Waalkes eine Chance erhalten . Schwedische Zuschauer ten dann vielleicht nicht mehr alte Tutti - Frutti - Folgen belächeln , die TV3
wärmt , oder deutsche Brüllshows ins Mild - Ironische verfremden , wie das gende Beispiel zeigt .
Rigoros und reißerisch wurde sie in der Tagespresse angekündigt , die Sendung Heta stolen ( Der heiße Stuhl ) , die nach RTL - Vorbild nun auch , mit schwedischen Akteuren , über schwedische Bildschirme flimmern sollte . Um die Verteidigung einer exzentrischen Meinung gegen tige Gegner sollte es gehen und ge Rhetorik entscheiden , wer das Schlachtfeld als Sieger verlassen dürfe .
Auf die erste Sendung war ich gespannt , schien mir doch die zur Brüllshow kommene Talkshow - Tradition , bei der lein Lautstärke und nicht Lauterkeit zählt , so gar nicht nach Schweden zu passen . Meine Befürchtungen erübrigten sich . Auf dem heißen Stuhl , der sich von allen deren Stühlen im Studio kaum schied , nahm die sympathische Maria - Pia Boethius Platz , um ein paar Vorurteile gen die Gründung einer schwedischen Frauenpartei abzubauen . Die „ Gegner " nickten häufig und schüttelten wohl auch einmal bedenklich den Kopf . tor Jan Guillou saß im Kreise der anderen und heizte die Debatte mit gemütlich lesenen Zitaten aus dicken Büchern an . Etwa zur Halbzeit des grausigen Spiels meinte er , „ wir sollten doch nun einmal etwas Kontroverses finden , damit wir uns streiten können " , denn sein Eindruck sei , alle seien sich rührend einig . Am Ende der Sendung wurde die nie geschwungene Streitaxt mit seinen Worten „ Ich bin nun auch Feminist " endgültig begraben .
Sehr schwedisch ging es zu und gar nicht so , wie die Reklame es verhießen . Das einzige , was unnatürlich wirkte , war der Abstand des ach so heißen Stuhls zu den anderen Debattanten , keinem war recht klar , weshalb Maria - Pia fern der freundlichen Runde saß . Gewiß - es gab in späteren Sendungen mit Gästen wie Ian Wachtmeister oder Herman Lindquist auch mal Kontroversen , doch die RTL - Brüllshow mit Löwenbändiger und tischem Buh - und Bäh - Publikum war mer wohltuend weit . Sie paßt nicht nach Schweden . Sieht ein deutschkundiges schwedisches Publikum - etwa Studenten oder Deutschlehrer - davon Ausschnitte , macht sich Unmut breit . „ Warum reden alle durcheinander , so kann man doch keine Probleme lösen ? ! " ist die am sten gestellte Frage . Ach , wenn es ums
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NORDEUROPA
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