NORDEUROPAforum : Die Zeichen der Zeit sind zweifellos sichtbar , trotzdem gilt für viele Menschen weiterhin die vise : „ Business as usual " . Es sind in serer Gesellschaft doch verhältnismäßig wenige , die sich dem Denken gern , das unsere eigene Lebensgrundlage zerstört . . .
von Uexküll : Der Gegner ist für die sten Menschen wohl sehr schwer machen , und die möglichen Alternativen sind für sie auch nur wie durch einen Nebel sichtbar . Diese Alternativen den in unserem System ja auch laufend lächerlich gemacht und unterdrückt . Es ist nicht leicht , auf die innere Stimme der Wahrheit zu hören , wenn die menbedingungen der Zeit dem gänzlich entgegenwirken . Es ist nachvollziehbar , daß der einzelne Bürger sich machtlos fühlt , wenn schon Politiker nicht ihren wahren Handlungsspielraum ausloten und stattdessen versuchen , ihre eigene Tatenlosigkeit durch anonyme kräfte zu entschuldigen . Aber es gibt auch Unterschiede : Das sein in Deutschland und Skandinavien beispielsweise ist ja ganz allgemein deutend größer als in England . Die schen sind für mich aber weder gut noch schlecht , es kommt nur darauf an , che ihrer Seiten unterstützt und dert werden . Meines Erachtens ist es wichtig , daß der Mensch sich wieder als Teil eines größeren sinnvollen Ganzen verstehen kann und nicht als atomisier - tes Individuum , dessen Gedanken und Gefühle auf einfache chemische nen im Gehirn reduziert werden . Wir ben den Aspekt des Heiligen verloren . Hier haben die Medien und die Schule eine besondere Verantwortung .
NORDEUROPAforum : Ist denn stärkte Information und Aufklärung von seiten der Medien nötig ?
von Uexküll : Ich glaube , daß die schen heute von Informationen regelrecht überflutet werden . Was wir brauchen , sind nicht mehr Informationen , sondern daß die Medien die herrschenden gien kritischer hinterfragen . Das ist seit 1989 gewiß schwieriger geworden , doch wenn wir die notwendigen gen in unserem Denken und Handeln nicht bald herbeiführen , werden nach
Planwirtschaft und real - existierendem zialismus auch Marktwirtschaft und mokratie in naher Zukunft verschwunden sein . Wollen wir die Erde retten , müssen wir unser Konsumverhalten ändern und zu einem Lebensstandard bescheidener Genügsamkeit finden . Ich glaube nicht , daß die Menschen so dumm und so stisch sind , daß sie das nicht können . Der ernsthafte Versuch , eine wirkliche Wende bei uns einzuläuten , wurde meines tens bislang noch nicht unternommen . Heute wehren sich ja sogar Politiker wie Joschka Fischer dagegen , unliebsame fortmaßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen - aus Angst zum Beispiel vor einem drohenden Kursverfall der schen Mark . Ein Staatsbankrott aber kann innerhalb von einigen Jahrzehnten überwunden werden . Ein Bankrott rer Umwelt hingegen , wenn überhaupt , erst nach Jahrtausenden .
NORDEUROPAforum : Sie haben derholt die Bildung einer demokratisch legitimierten , supranationalen behörde angeregt , die mit allen schen , finanziellen und juristischen fugnissen ausgestattet ist , die zur Wiederherstellung und Erhaltung rer natürlichen Umwelt notwendig sind . Ist die mittlerweile eingerichtete ropäische Umweltagentur ein Schritt in diese Richtung ?
von Uexküll : Wenn man die Einrichtung dieser Agentur als einen Schritt nen möchte , ist es nur ein minimaler . Denn es ist natürlich absurd , was da schehen ist . Da hat man sich jahrelang um diese Behörde gestritten , und der Streit entzündete sich doch nur an der nalen Frage , in welcher europäischen Hauptstadt die Agentur einmal delt werden sollte . Daran sieht man mal , welchen Stellenwert die Umwelt in der derzeitigen Europapolitik hat . dem soll die Europäische Umweltagentur lediglich ein Überwachungsorgan zur Sammlung und Aufbereitung zogener Daten werden , das nur ganz schränkte Befugnisse hat . Notwendig aber ist die Einrichtung einer schen Institution , die mit umfassenden Machtbefugnissen ausgestattet ist und in einer gegebenen Notsituation auch massiv eingreifen kann . Eine solche Institution ist notwendig , um die
gen für das Leben in diesem Teil der Erde überhaupt zu sichern . Die Erkenntnis hat sich doch weithin durchgesetzt , daß sichts der globalen Herausforderungen unserer Zeit nationale Lösungen nahezu unmöglich sind . Tschernobyl hat halb kürzester Zeit mehr Grenzen gerissen als 40 Jahre Verhandlungen im Rahmen der EG . Ich glaube deshalb auch , daß die Bildung einer schen Umweltbehörde einen Ausweg aus der Europa - Krise bietet , die seit zeichnung des Maastrichter Vertrages steht . Sie könnte die nachlassende sterung für Europa bei vielen Menschen wieder stärken und dem europäischen Gedanken in der Bevölkerung einen Rückhalt geben . In einem weiteren Schritt könnten dann später auch sche Einrichtungen geschaffen werden , die etwa die Wahrung der te oder die Abrüstung garantieren sollen . Ein erfolgreicher Anfang in der frage wird alle weiteren Schritte in diese Richtung leichter machen .
NORDEUROPAforum : Der Norweger Erik Dammann , der 1982 mit dem nativen Nobelpreis ausgezeichnet de , hat dafür plädiert , die nordischen Länder mit ihrer gemeinsamen Kultur und Tradition sollten sich aus dem bewerbsorientierten stem lösen und auf eine wirtschaftliche Unabhängigkeit hinarbeiten . Wie ken Sie über eine Norderweiterung der EU ?
von Uexküll : Zum gegebenen Zeitpunkt bin ich entschieden gegen einen Beitritt der nordischen Länder zur Europäischen Union . Die EU in ihrer heutigen Form gehört der Welt vor 1989 an , und ich glaube , daß die Frage nach einem Beitritt derzeit mehr Kräfte paralysiert als setzt . Der Norden hat meines Erachtens zum Beispiel in bezug auf Osteuropa deutend flexibler reagiert als die EU . Aber denken wir auch an die nordischen dards im Umweltschutz , der Sicherheit und der Gesundheit , die in einem samen Markt gefährdet sind . Natürlich , einen Handel zwischen den Ländern im Norden und dem übrigen Europa wird es immer geben . Deshalb zielt Dammann auch nicht auf eine Form der Entsolidari - sierung der nordischen Länder mit dem Rest der Welt ab oder redet einem Isola -
Nr . 4 , 1994
39