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STABKIRCHE WANG :
Kleinod im Riesengebirge
Fast fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges suchen Polen und Deutsche nach neuen Wegen , ihre Beziehungen zueinander zu gestalten . Die norwegische Stabkirche Wang steht dabei in der künftigen Euro - Region Deutschland - Polen - Tschechien für Versöhnung und ein neues Miteinander .
Raimund Wolfert
Was man von Kirchen normalerweise nicht sagen kann , auf die kleine Stabkirche Wang im polnischen gebirge ( Karkonosze ) trifft es zu : Sie ist weit gereist . Würde man es nicht besser wissen , man wollte es kaum glauben . So gut fügt sie sich in ihre „ neue " Umgebung ein . Aus Anlaß des 150 . Jahrestages der Grundsteinlegung der Kirche im schlesischen Brückenberg ( Karpacz Gorny ) sagte am 2 . August 1992 selbst der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland , Bruno Weber : „ Sie steht hier , als könne sie gar nicht anderswo stehen , und man muß sich erst sagen und klarmachen lassen , daß sie gar nicht hier erbaut ist . " Unkundige Touristen , die das Kirchlein mit dem talisch anmutenden Namen am Fuße der Schneekoppe ( Sniezka ) besuchen , glauben oft , vor einem indischen Tempel oder einer chinesischen Pagode zu stehen . Nur wenige wissen , daß das sche Bauwerk nicht aus dem fernen Osten , sondern aus dem hen Norden stammt . Genauer gesagt : aus der mittelnorwegischen Ortschaft Vang in Valdres .
Die Geschichte der Kirche Vang und ihrer Reise aus der alten skandinavischen in die neue schlesische Heimat ist so bemerkenswert wie sie einmalig ist . Keine andere Kirche hat je eine ähnlich lange Reise unternommen wie die kleine um das Jahr 1200 erbaute che , die einst am Ufer des idyllischen Vangsmjosa - Sees in Mittel - wegen stand - immerhin über 600 Jahre lang , bis sie im Jahre 1841 von ihrer Gemeinde plötzlich zum Verkauf freigegeben wurde .
Im achtzehnten und zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts wurden zahlreiche norwegische Stabkirchen abgerissen . Sie waren für ihre Gemeinden oft zu klein geworden . So konnte zu dieser Zeit auch das Kirchlein Vang seinen Zweck nicht mehr erfüllen , und die Gemeindemitglieder beschlossen , ein neues Gotteshaus zu bauen ; das alte sollte abgebrochen und verkauft werden . Man überlegte nur noch , was mit den noch in recht gutem Zustand findlichen Teilen des ausgedienten Bauwerkes zu machen sei . Da erfuhr der norwegische Maler Johan Christian Dahl vom den Schicksal der Kirche . Er war einer der eifrigsten Streiter für die Erhaltung der Stabkirchen seiner Heimat und seit 1824 sor an der Kunstakademie in Dresden . Mit seiner Schrift Denk -
Raimund Wolfert ist Skandinavist und freier Journalist in Berlin .
male einer sehr entwickelten Holzbaukunst in den inneren Landschaften Norwegens hatte er 1837 die erste Veröffentlichung über die Stabkirchen seines Landes herausgegeben .
Nach mehreren vergeblichen Versuchen , die Kirche in Vang vor dem Untergang zu retten , blieb dem Norweger aber letztlich nichts anderes übrig als sie zu kaufen . Für umgerechnet 427 Mark warb er das alte Gebäude , als es am 18 . Januar 1841 öffentlich steigert wurde . Dahls Bemühungen jedoch , die Kirche im Schloßpark zu Christiania wieder aufstellen zu lassen , schlugen fehl . Daher wandte er sich mit der Bitte um Unterstützung an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV . von Hohenzollern . telsmann dürfte hierbei der aus Stavanger stammende phieprofessor Henrik Steffens gewesen sein , der 1832 von Breslau ( Wroclaw ) nach Berlin berufen worden war . Der preußische nig jedenfalls soll von dem Plan , das Kirchlein zur Aufstellung auf der Pfaueninsel zwischen Berlin und Potsdam zu erwerben , sofort begeistert gewesen sein . Erfreut nahm er das an ihn gene Angebot an - wohl ohne sich der Kosten für den bau der Kirche ganz im klaren zu sein . Pfarrer Erich Gebhardt , der zwei Generationen nach dem Aufbau des neuen Wang im schen Brückenberg seinen Dienst in der Gemeinde tat , berichtete , daß sich die Kosten der Wiedereinrichtung der Kirche und der Neueinrichtung der Pfarrei für Friedrich Wilhelm IV . insgesamt auf 79 . 725 Mark und 26 Pfennige beliefen , wobei der Ankauf in und der Transport von Norwegen noch nicht einmal eingerechnet war . Alles in allem aber , schrieb der Pfarrer Anfang dieses hunderts , dürfte „ der bare Aufwand " für das neue Wang in den Jahren 1842 bis 1844 gar um 140 . 000 Mark betragen haben .
Doch nicht nur für den preußischen König , auch für Dahl selbst tauchten nach dem Kauf der Kirche eine ganze Reihe von ben und Problemen auf . Zunächst mußte die Kirche sorgfältig gemessen und bis ins Detail dokumentiert werden . Dann mußten die verschiedenen Bauteile deutlich gekennzeichnet werden . Für diese Arbeiten schickte der Maler im Frühjahr 1841 einen seiner Schüler , den jungen deutschen Architekten und Zeichner Franz Wilhelm Schiertz , nach Norwegen . Er selbst leitete dessen Arbeit von Dresden aus - oder tat doch sein Möglichstes , konnte in jener Zeit ein Brief von Dresden nach Vang doch etwa drei Monate terwegs sein .
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