Full text: (1994)

MINDERHEITENPOLITIK IM BALTIKUM : 
Besser als ihr Ruf 
Im Zentrum der internationalen Diskussion über das Baltikum stehen die Staatsbürgerschafts - und Minderheitenfragen . fig bestätigen die Diskutanten ungewollt , daß sich ohne tenwissen am trefflichsten streiten läßt . Die Minderheitenrechte in den baltischen Staaten sind besser verankert , als allgemein angenommen wird . 
Norbert Götz 
Die baltischen Staaten haben im Umgang mit ethnischen heiten eine durchaus positiv zu bewertende Tradition . In der gigkeitszeit , die von 1918 bis 1940 te , genossen nicht nur die einzelnen Minderheitenangehörigen alle gerlichen Rechte , sondern auch die Gruppen , denen sie zugehörten , waren mit vielfältigen Rechten ausgestattet . Die Minderheitengesetzgebungen und - tiken der drei baltischen Staaten waren an dem freien Bekenntnis des Einzelnen ( Personalitätsprinzip ) und an der rellen Autonomie orientiert und zählten zu den fortschrittlichsten in Europa . Dies gilt insbesondere für Estland . tauen hatte ähnlich weitgehende menvorgaben , blieb aber in der Praxis dahinter zurück . In Lettland war es gekehrt : Die rechtliche Verankerung war schwach , auf den Bereich Schule beschränkt , aber in der Praxis erlangten die Organisationen der ethnischen derheiten eine deutlich darüber gehende Autonomie . 
Die Errichtung rechtsgerichteter turen - 1926 in Litauen , 1934 in Lettland und Estland - bedeutete in allen schen Staaten die Aufgabe der lichen Minderheiten - Politik . Dies galt vor allem für Litauen und Lettland . In land wurden zwar Einschränkungen genommen , die öffentlich - rechtliche turelle Selbstverwaltung der Minderheiten blieb aber erhalten . 
Im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer chen Veränderung der tion in den baltischen Staaten . Die schen Minderheiten wurden im Gefolge des Molotow - Ribbentrop - Paktes hend aus dem Baltikum „ heim ins Reich " geholt . Selbst während der deutschen setzung von 1941 bis 1944 blieb ihnen die Rückkehr in ihre wirkliche Heimat wehrt . Die jüdische Minderheit wurde zum großen Teil von den Deutschen mordet , teilweise unter baltischer fe . Und die kleine , seit dem 13 . dert an der estnischen Küste siedelnde , schwedische Minderheit wurde 1944 fast komplett nach Schweden evakuiert . Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem ligen Einmarsch der Sowjetunion 1940 und 1944 bestanden in Estland und land so im wesentlichen nur noch die sischen Minderheiten . In Litauen gab es außerdem die polnische Minderheit , hauptsächlich im Gebiet um Vilnius , das in der Zwischenkriegszeit von Polen setzt war und erst 1939 von der union an Litauen übertragen wurde . 
Rechtswidriger Zustand 
Die Zeit der Sowjetherrschaft war in Estland und Lettland durch starke kerungsverschiebungen gekennzeichnet . Beide Länder waren einer umfangreichen Zuwanderung von Arbeitskräften setzt , die den Anteil der Russen 
über dem Vorkriegsstand in Estland von vier auf dreißig Prozent und in Lettland von knapp elf auf vierunddreißig Prozent in die Höhe schnellen ließ . In Litauen , das eine höhere Geburtenrate und einen geringeren Industrialisierungsgrad wies , stieg der Anteil der Russen von drei auf vergleichsweise geringe neun Prozent . 
Im Vordergrund der Diskussion über den Umgang der baltischen Völker mit ihren Minderheiten stehen heute Fragen der Staatsbürgerschaft und setzgebung ( beispielsweise im Beitrag von Hanne - Margret Birckenbach im NORD - EUROPAforum 1 / 94 ) . Estland und land gerieten dabei in den Verdacht , sich die in den Jahren der sowjetischen pation zugewanderte russische rung wieder systematisch vom Hals fen zu wollen . 
Alle drei baltischen Staaten stimmen in den Kriterien für die Vergabe der angehörigkeit zunächst in ihrem ven Ausgangspunkt überein . Sie ten die Zeit der sowjetischen Besatzung als „ rechtswidrigen Zustand " . Nur die wohner der jeweiligen Republik , die zum Zeitpunkt des Einmarsches durch die wjetunion im Jahre 1940 Staatsangehörige waren sowie deren Nachkommen , ten automatisch die Staatsbürgerschaft . Dies gilt unter der Voraussetzung , daß sie ihren ständigen Wohnsitz in dem fenden Land haben und keine andere Staatsbürgerschaft besitzen . In Estland fallen in diese Bevölkerungsgruppe auch 100 . 000 Personen russischer mung ; das ist etwa ein Sechstel der gen russischen Minderheit im Lande . In Lettland sind knapp achtzig Prozent der Staatsbürger ethnische Letten . Von den ethnischen Letten besitzen 1 , 6 Prozent nicht die lettische Staatsbürgerschaft . bei handelt es sich vor allem um nach 1940 rückgewanderte Abkömmlinge der lettischen Minderheit im zaristischen Rußland . Relativ leicht gemacht wird der Erwerb der Staatsbürgerschaft im Ausland lebenden Esten , Letten und Litauern wie Bewohnern der baltischen Territorien von 1940 , auch wenn diese damals nicht Staatsangehörige waren . 
Grundsätzlich ähnlich sind in allen drei Ländern die Einbürgerungsmodelle . In Estland und Litauen bestehen gehörigkeitsgesetze , die die Einbürgerung an Bedingungen wie einen weis , Verfassungskenntnisse , einen Loya - 
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