Fremde im eigenen Land
Die skandinavischen Gesellschaften haben die Samen , die ge europäische Urbevölkerung , lange Zeit als fremdartige und zu Zivilisation und Christentum zu bekehrende Volksstämme ausgegrenzt und diskriminiert . Dabei siedelten sie im Norden schon Jahrhunderte vor den aus dem Süden einwandernden Skandinaviern .
DIE NORWEGISCHEN SAMEN :
Frank Meyer
In der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg wurden die Samen - üblicherweise mit dem wertenden Namen Lappen bezeichnet - in der norwegischen Öffentlichkeit als Fremde betrachtet . Sie galten als lichtige Elemente , die beim erstbesten militärischen Anlaß zum Feind fen würden . Dieses Bild von den Samen als Fremde in der norwegischen Nation änderte sich in der Zeit nach der ung von der deutschen macht . Anachronistische Vorstellungen über die Lebensweise und die schaftliche Struktur dieser rungsgruppe erfuhren notwendige rekturen . Der größte Teil der samischen Bevölkerung , nämlich die nicht von der Rentierzucht lebenden Samen , rückte in Norwegen nach und nach ins Blickfeld des öffentlichen Interesses . In land hingegen herrschen sowohl bei Touristen als auch Fachleuten , die es ja eigentlich besser wissen müßten , immer noch Vorstellungen vor , die dem gischen Zauber des Rentiernomadismus erlegen sind .
Frank Meyer ist Amanuensis am rischen Institut der Universität Oslo mit Arbeitsschwerpunkten in norwegischer und internationaler Geschichte des 19 . und 20 . Jahrhunderts .
Der Strukturwandel der samischen sellschaft ist in Deutschland noch immer weitgehend unbekannt . Dieser wandel vollzog sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in drei Etappen . Er läßt sich als ein Übergang von einer Zeit , in der die Samenfrage in Norwegen als ein rein wirtschaftliches Problem tet wurde , zu der heutigen Situation , in der die norwegische Öffentlichkeit die Frage als ethnisches Problem betrachtet , beschreiben .
Wirtschaftsparadigma ( 1945 - 1963 )
In der Nachkriegszeit bildete sich in Skandinavien das aus , was im nen als Wohlfahrtsstaat bezeichnet wird : Der Staat als politisches Gebilde pflichtet sich , seinen Bürgern sche Sicherheit zu garantieren und ihnen darüber hinaus für genau festgelegte zitäre Lagen Kompensationsleistungen zu gewähren . Dieser Selbstverpflichtung kann er aber nur gerecht werden , wenn eine wesentliche Voraussetzung des Wohlfahrtsstaates , nämlich die sche Stabilität der kapitalistisch siert verbleibenden Wirtschaft , erfüllt ist . Für Norwegen bedeutete dies Wachstumspolitik durch Forcierung der Industrialisierung . Davon sollten sondere die von den deutschen Besatzern
bei ihrem Rückzug in Schutt und Asche gelegten nordnorwegischen Landesteile Finnmark und Troms profitieren , wo die „ Taktik der verbrannten Erde " einen len Neuaufbau notwendig machte .
An dieser Wachstumspolitik sollten auch die Samen teilhaben . Allen guten Vorsätzen zum Trotz scheint es , als ten der Ausbau des Wohlfahrtsstaates in der unmittelbaren Nachkriegszeit und die von der norwegischen Regierung ne Modernisierungspolitik zu einer schränkung der Möglichkeiten der men , ihre Kultur eigenverantwortlich zu entfalten , geführt . Aufgrund des stischen und patriotischen Verhaltens der Samen während der Okkupation konnte die Norwegische Arbeiterpartei , aus der Asche des schwedischen Exils wieder zur Regierungspartei auferstanden , sie nicht mehr einfach ignorieren oder gar als meintliche Landesverräter zur rung zwingen . Darüber hinaus hatte die norwegische Regierung 1948 die schenrechtserklärung der UNO zeichnet , durch die auch die Rechte nischer Gruppen geschützt wurden .
Trotzdem begann die Parteiführung erst 1963 , sich aktiv um die Samenfrage zu kümmern . Fast bis zum Ende des zweiten Nachkriegsjahrzehnts vermochte ihre terabteilung im Landesteil Finnmark das Problemfeld Samen zu besetzen und nerhalb der Arbeiterpartei die kompetenz zu beanspruchen . dere dem langjährigen Bürgermeister der überwiegend samischen Gemeinde des nordnorwegischen Städtchens Karasjok , Hans Ronbeck , gelang es , ab Mitte der 50er Jahre die alte Assimilierungspolitik der Vorkriegsjahre durch eine neue , den ideologischen Strömungen der kriegszeit entsprechende Politik zu zen .
Ronbeck wies die kleinlaut genen ethnopolitischen Forderungen der Samen mit dem Hinweis auf die juristische Gleichheit aller norwegischen Staatsbürger vor dem Recht zurück . Die samische Ethnizität wurde von ihm zu ner lokalen Variante der regional stark segmentierten norwegischen schaft heruntergespielt : Ein Same galt für diese Argumentation nicht als etwas sentlich anderes als ein West - , Ost - oder Nordländer . Darüber hinaus gelang beck das politische Kunststück , die menfrage als ein rein ökonomisches
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NORDEUROPA
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