EXIL IN SKANDINAVIEN :
Euphorie und Depression
Das politische Exil in Nordeuropa während des zweiten krieges bedeutete für viele deutsche Flüchtlinge eine extreme Erfahrung der Fremde . Unbekannte Sprache ; fremde politische Systeme und hartes Klima erforderten in hohem Maße sungsleistungen .
Einhart Lorenz
Norwegen war - in der Erinnerung des Schriftstellers Max Barth - ein Land , in dem er die schönsten re seines Exils verlebte und in das sich die politischen Flüchtlinge zurücksehnten . gleich aber war es auch ein Land , in dem er bei seiner Einreise mit der Bemerkung : „ Man läßt deutsche Emigranten nicht gern herein " , begrüßt wurde , das schwer gänglich war und in dem es ten bereitete , „ als Gleicher unter Gleichen aufgenommen zu werden " . Während er aus seiner Abneigung gegen das „ hochnäsige " Schweden , die nächste Station seiner Emigration , kein Hehl machte , fand sein Schriftstellerkollege Otto Friedländer , der Norwegen als Exilland erlebt hatte , dort seine Heimstatt . Barth , der seine Zeit auf der südnorwegischen Insel Tromaya als „ die schönste Zeit " seiner Exiljahre zeichnete und die „ Aufgeklärtheit , nisse und Interesse an Fremdem " bei den Norwegern pries , fühlte zugleich aber auch ein „ seelisches Frösteln " und gestand dem Nobelpreisträger Ludwig Quidde seine Selbstmordpläne ein , die er in Norwegen hatte .
Dr . Einhart Lorenz ist Direktor des chivs der norwegischen gung in Oslo . Zahlreiche Publikationen zur norwegischen und internationalen Arbeiterbewegung , zu Exil und schismus , Neofaschismus .
Gegensätzliche und widersprüchliche Aussagen also von Menschen , die die gleichen Schicksale erlitten hatten und die gleichen Länder kannten . Sie drücken das ambivalente Verhältnis aus , das die deutschsprachigen Flüchtlinge , die vor dem Nationalsozialismus nach Skandinavien flohen , zu ihren fluchtsländern hatten . Dabei hatten sie einen relativ günstigen Ausgangspunkt , denn ihr Exil bedeutete keinen totalen Bruch mit der gewohnten Lebenswelt . Sie befanden sich damit in einer gleich besseren Lage als die jüdischen Flüchtlinge aus Osteuropa , die nach dem ersten Weltkrieg nach en kamen , oder die heutigen Flüchtlinge aus Ländern der Dritten Welt . on war damit für sie weniger von Folgen geprägt , die der Osloer Psychiatrie - fessor Leo Eitinger , selbst Flüchtling und dann Überlebender von Auschwitz , mit einer ernsthaften Krankheit vom Typ einer Gehirnblutung verglichen hat , bei der alle Elemente der kulturellen Verankerung verloren gegangen waren .
Natürlich gab es vieles , das außer einer neuen Sprache zu erlernen war . Die Mehrzahl der Flüchtlinge mußte sich zunächst an die Dinge des täglichen bens gewöhnen und mit der Mentalität der Menschen vertraut werden . Sie ten ein anderes Klima , lange Winter , terschiedliche Lebensgewohnheiten und
andere Grundnahrungsmittel wie Fisch und süßes Brot . Sie gewöhnten sich an , daß der Zugang zu Alkohol stark schränkt war . Die Sehnsucht nach „ einer Maas Beyrisch und richtig Gselchten " blieb bestehen und vermutlich machte nicht nur der Sozialdemokrat Hermann Fischer die Feststellung , daß die nisse in der Tschechoslowakei „ in dieser Beziehung " schöner und vertrauter ren .
Ein anderes Problem war die politische Kultur und beispielsweise das Erlernen neuer politischer Begriffe wie folkhem und folkestyre , die viele der politischen Aktivisten zunächst als „ schaft " im nationalsozialistischen Sinne mißverstanden . Ungewohnt für sche und kommunistische Emigranten war auch die Institution der Staatskirche und ihre enge Verbindung mit dem wesen .
Trotz solcher gemeinsamer „ lebnisse " lassen sich allgemeingültige Aussagen über die Begegnung mit der Fremde oder über geglückte und lungene Integration nicht machen . Die Exilierten waren nicht allein von ihrer eigenen Kultur und Geschichte geprägt , sondern auch von illegaler Arbeit , enthalten in Konzentrationslagern und Gefängnissen , Konfrontationen mit der Polizei oder von Verfolgungen , Terror und Angst . Zeitpunkt , die äußeren stände der Emigration und Einreise und damit auch die Formen des Empfanges konnten Wahrnehmungen verstärken oder schwächen . Skandinavien wurde alters - , geschlechts - , gruppen - und senspezifisch verschieden erlebt .
„ folkhem " statt Volksgemeinschaft
Eigene Erwartungen und lungen konnten das Bild ebenso prägen wie die Bereitschaft zum Neudenken und zur Flexibilität . Angehörige der bewegung befanden sich in der Regel in einer günstigen Ausgangslage . Sie fanden sich durch ein gemeinsames Kulturgut , Umgangsformen und eine weitverbreitete Offenheit gegenüber politischen lingen in der Arbeiterklasse leichter recht als jüdische Flüchtlinge , die schon allein auf Grund der geringen schen Stärke der jüdischen Gemeinden weniger Beachtung fanden und die in Skandinavien auf ein geringes
Nr . 4 , 1994
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