THEMA
an muß schon Prophet sein , um in der Fremde etwas zu gelten . Da nur wenige Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten gesegnet sind , ist das Gegenteil , die Fremdenfeindlichkeit , weitaus verbreiteter . Die Tatsache , daß gerade Fremde als Propheten leichter akzeptiert werden als Vertraute , sollte aber die Augen öffnen für die Bereicherung , die das Andere immer bedeutet : Erst im Fremden wird Selbsterkenntnis überhaupt möglich .
Leider ist Selbstentlarvung das überall häufiger anzutreffende Phänomen . Die fung des Asylrechts in der Bundesrepublik zeigt , daß Lehren aus der Zeit der Nazidiktatur „ out " sind . Einhart Lorenz erinnert sich im einleitenden Themenbeitrag unzeitgemäß an die deutschen Exilanten , die in der Fremde Nordeuropas Unterschlupf fanden . Die gegnung mit Fremden gerät , wie weitere Beiträge zeigen , nicht selten zum Gewaltakt : Rassismus und Kommerzkalkül bei der journalistischen Darstellung von men , Erwartung von Anpassungsleistungen von eingesessenen und zugewanderten derheiten .
Dennoch leben wir in einer Zeit , in der das Andere , das Fremde zunehmend geschätzt wird . Alle uns bekannten seriösen Versuche , Identität zu definieren , laufen , ob es sich nun um Deutschland , Europa oder den Ostseeraum handelt , auf die Vielfalt innerhalb des Bezugsrahmens und die Wandlungsfähigkeit der einzelnen Einheiten hinaus . Uns selbst zu akzeptieren heißt diese Spannung , diese paradoxe Ambivalenz zuzulassen , die das Vertraute fremd und das Fremde vertraut macht .
Den Thementeil konzipierten Norbert Götz und Reinhold Wulff .
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NORDEUROPA
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