Full text: (1994)

Schwimmbecken gefunden : tot , die fonschnur um die Füße gewickelt . 
Onkel Theos Ableben wird nicht das einzige in dem nur 114 Seiten starken Roman ben . Es folgen die Urgroßmutter , der ältere Bruder Esko und ein ehemaliger Mitschüler Fleurs . Der war ohnehin ein Außenseiter wesen , für ihn hatte es keinen Platz in Fleurs echter Greenpeace - Klasse gegeben , die auf den Ankauf eines Hektar Regenwaldes spart statt auf eine Klassenfahrt und in der der nuß von Drogen , Tabak und selbst von holarmem Bier streng verboten ist . 
Für Fleur bleiben die Todesfälle nicht ohne Folgen , hatten doch Onkel Theo und die großmutter sie als Alleinerbin eingesetzt . Und daß Esko nun nicht mehr ist , der große Bruder , der sich in Amerika in der Kunstszene herumgetrieben hatte , bevor er - ohne es zu ahnen - auf seine letzten Tage nach Finnland zurückkehrte , läßt Fleur erst richtig sen werden . Bei den anderen gliedern löst das Verschwinden ihrer gehörigen einiges Unbehagen aus . Nicht , daß man trauert , fürs Trauern fehlen wie die Gemeinsamkeiten ; man fängt an zu reden , jeder für sich allein vergräbt sich in die Vergangenheit , zögerlich und lig . „ Vergessen kann ich nicht . Erinnern will ich mich nicht " , so eine zentrale Erkenntnis in dem Selbstgespräch von Fleurs Vater , nem Juristen für Baufragen . 
Haavikko verzichtet in seinem Roman auf eine alles umspannende Rahmenhandlung . Stattdessen finden wir vier nebeneinander stehende Kapitel vor . Vier Familienmitglieder ziehen jeweils für sich allein ihre Schlüsse aus dem Geschehenen , reden sich dabei um Kopf und Kragen : Fleur , die Großmutter , die aus Briefen ihres Sohnes Theo zitiert , ein menlos bleibender Diplomat aus dem schen Auswärtigen Amt und Fleurs Vater Leif . Und schon wird es kompliziert , denn was hat jener Diplomat mit Fleurs Großmutter zu tun , und warum nennt er ihren Sohn Leif ( Fleurs Vater ) den Sohn der nis ? Die Familienverhältnisse sind verwirrend . So verwirrend , daß auch der Residenz - lag , der den Roman in einer gewohnt nen Ausgabe und mit nur zwei jähren stand zur finnischen Erstveröffentlichung auf deutsch herausgab , Fehler machte und auf dem Umschlag Namen und Personen wechselte . 
Kein Wunder , greift doch Haavikko ein zentrales Thema der modernen Familie auf : das der Leichen im Keller . Seitensprünge , Inzest und verborgene Gefühle mit all ihren 
Folgen , die um so schwerwiegender den , je weniger miteinander geredet wird . Haavikkos große Kunst besteht vor allem darin , daß er die Reden der einzelnen milienmitglieder auch sprachlich so tet , daß sich innerhalb des in Wahrheit splitterten Familienkosmos' verschüttete Teilwelten auftun . Für Haavikkos Helden ist alles schon zu spät . Das geht ans Gemüt , nicht nur den Figuren , die sich um Fleur gruppieren , sondern auch dem Leser . Was sich genau zwischen Fleur und ihrem Vater abspielt , möchte man lieber gar nicht sen und ahnt es doch . Aber Haavikko zichtet auf die bekannten pseudo - familien - therapeutischen Erklärungen , er strukturiert keine Schuldzuweisungen - und so ist Fleurs mittlere Reife auch kein Roman , der das Gruseln lehrt . 
Wie gesagt , er hat durchaus seinen Reiz : Beim ersten Lesen erfaßt man nicht alles , beim zweiten auch nicht , und so kehren wir zum Anfang des Romans zurück , zu Fleurs ersten , tastenden Sätzen : „ Eine ne , gewöhnliche Familie . Das ist unsere milie . Das schreib ich nicht . Das Thema nehm ich nicht . 'Es geschah letzten mer . ' Das schreib ich . ja , oder eins von den , ich erzähl denselben Vorfall . Und schreib 'Es geschah letzten Sommer' , und die Überschrift erst dann , wenn alles auf dem Papier steht . Gut , Fleur . Blüte . pe . Du entwickelst dich . " 
Frank Keil , Hamburg 
DÄNEN MIT HINDERNISSEN : 
Frei zu denken , sprechen , glauben 
Deutschland erlitt nach 1933 re Verluste auf allen Gebieten des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens . Viele der Emigranten , die in anderen Ländern Zuflucht fanden , stellten für diese weniger eine stung als vielmehr eine rung dar . 
Dänemark war als Asylland während der Zeit des deutschen Nazi - Terrors lich keine Idylle . Das von der se der zwanziger und dreißiger jähre stark 
gebeutelte Land spielte als direkter bar des Deutschen Reiches für Emigranten aus Mitteleuropa vor allem als Transitland eine Rolle . Die dänische Flüchtlingspolitik , die noch bis 1933 als liberal bezeichnet werden konnte , wurde bis 1939 se verschärft . Die Emigranten , die dennoch Aufnahme im Land fanden , mußten oft ter trostlosen Verhältnissen in sozialer und psychischer Isolation leben . 
Willy Dähnhardt und Birgit S . Nielsen ( Hrsg . ) 
Deutsche Redaktion : Dieter Lohmeier Exil in Dänemark 
Deutschsprachige Wissenschaftler , ler und Schriftsteller im dänischen Exil nach 1933 
Heide : Verlag Boyens & Co , 1 993 731 5 . , DM 78 , - 
Zum Zeitpunkt der deutschen Besetzung hielten sich etwa 2 . 200 politisch und sisch Verfolgte in Dänemark auf . Zwar ist die Zahl im Vergleich mit anderen Ländern eher gering , den Emigranten selbst muß aber große Bedeutung beigemessen den . Unter ihnen befanden sich zahlreiche Wissenschaftler und Künstler von Weltrang , die für ihre dänischen Kollegen in cherlei Hinsicht eine wichtige Inspiration darstellten . 
Der Kopenhagener Germanist Steffen Steffensen initiierte bereits 1969 ein jekt , das die Schicksale deutschsprachiger Intellektueller in Dänemark und die kungen , die diese auf das geistige Leben des Landes ausgeübt hatten , erforschen sollte . Steffensen wollte seine Landsleute darauf aufmerksam machen , daß sie den Emigranten seinerzeit nicht nur Asyl währt hatten , sondern ihnen auch eine reicherung ihres wissenschaftlichen und kulturellen Lebens verdankten . Er selbst konnte nicht mehr erleben , daß das ben abgeschlossen wurde . Erst 1986 , zwei Jahre nach seinem Tod , wurde in gen ein Band mit seinen nissen und denen seiner Mitarbeiter fentlicht . Dieser Band liegt nun auch in deutscher Fassung vor . Im Vergleich mit dem dänischen Original zeichnet die sche Ausgabe sich durch mehrere serungen aus . Neben Überarbeitungen und Erweiterungen ist vor allem auch die sprechende Aufmachung zu erwähnen . 
Bertolt Brecht und Hans Henny Jahnn sind gewiß die bekanntesten Nazi - linge , die es einst nach Dänemark 
Nr . 3 , 1994 
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