Full text: (1994)

BERICHTE & ANALYSEN 
Ehemalige Schleswig - Holsteiner aus Israel auf dem jüdischen Friedhof in beck - Moisling vor den Gräbern von Häftlingen des KZ Bergen - Belsen , Mai 1991 
Auf Einladung der schleswig - schen Landesregierung haben mehrere Gruppen jüdischer ehemaliger rinnen und Mitbürger die „ alte Heimat " besucht , die viele von ihnen seit mehr als 50 Jahren nicht gesehen hatten . Viele ser jüdischen ehemaligen Schleswig - steiner , die einst der Massenvernichtung entronnen waren , hatten tiefe und große Bedenken , eine solche Einladung nehmen . Ängste und Hemmungen waren zu überwinden . Aber mit ihrem Kommen setzen diese Menschen ein Zeichen der Aussöhnung und Gesprächsbereitschaft . 
Viele Spuren jüdischer Kultur und schichte sind im Laufe der Zeit gangen , viele hat der Strom der Zeit auch waltsam zerstört . Die am besten erhaltenen Zeugen jüdischer Kultur in Schleswig - stein sind heute Friedhöfe und Gräber wie beispielsweise in Ahrensburg , Elmshorn , tin , Friedrichstadt , Glückstadt , Kiel , Lübeck und Westerrönfeld . Der Jüdischen Gemeinde in Hamburg obliegt es , das Erinnerungserbe der nicht mehr existierenden kleinen und mittleren Gemeinden Schleswig - Holsteins , die einst über Generationen hinweg sches Leben repräsentierten , als rin jüdischer Tradition zu betreuen und vor dem Vergessen zu bewahren . 
Als ein „ Juwel ersten Ranges " , das in Deutschland viel zu wenig bekannt sei , zeichnete im Jahre 1989 eine Gästegruppe des Canadian Jewish Congress das sche Museum ( „ Dr . Bamberger - Haus " ) in Rendsburg . Das bauliche Ensemble der 
ehemaligen Synagoge und jüdischen le , das in seiner historischen Bausubstanz erhalten geblieben und in Deutschland ohne Parallele ist , wurde in den 1980er ren mit der Zielsetzung instandgesetzt , hier eine Dokumentationsstelle jüdischer schichte und jüdischen Lebens in wig - Holstein sowie ein aktives Kultur - und Kommunikationszentrum einzurichten . Das Jüdische Museum Rendsburg wurde am 6 . November 1988 eröffnet und dient heute vielfältigen kulturellen Zwecken . Zur Erinnerung an die Pogromnacht des 9 . / 10 . November 1938 finden in dem Haus in Form von Konzerten , Lesungen und stellungen jährlich die Novembertage statt . 
Bis vor einigen Monaten schien es noch so , als ob jüdisches Leben in Schleswig - Holstein heute keine Zukunft mehr habe . Doch die Veränderungen in der gangenen Sowjetunion setzen neue nungen frei . Jüdische Emigranten , für die religiöses Leben unter der schaft bisher weitgehend fremd gewesen ist , finden heute den Weg nach land ; sie reisen - mit offiziellen Papieren versehen - in ein Land aus , das ihre lienangehörigen noch vor 50 Jahren folgte und ermordete . Sie verlassen ihre Heimat , lösen sich von ihren bisherigen Bindungen und stehen in der publik Deutschland , die sie auf die nen Bundesländer verteilt , häufig in ger Kälte da . Die ( neue ) Sprache können sie meist kaum oder gar nicht , und die rufliche Situation für die 
ge ist zumindest ungünstig ; viele Berufe sind in Deutschland nicht gefragt , viele „ Papiere " werden nicht anerkannt , und Personen in einem Alter von über 50 ren haben kaum Aussichten , jemals einen Arbeitsplatz zu finden . 
Die jüdischen Emigranten werden in Schleswig - Holstein auf die Kreise und kreisfreien Städte verteilt . Die Jüdische meinde in Hamburg hat die soziale und ligiöse Betreuung dieses Personenkreises übernommen - ohne sie würden die Neuankömmlinge in einem Behörden - Wirrwarr von Formularen , Anträgen und Ämtern schnell die Orientierung verlieren . In dem alten Gemeinderaum der Lübecker Synagoge wurde eine Sozialstelle tet - sie wurde bei dem Anschlag im April dieses Jahres beschädigt ; ein junger Kantor und eine Sozialarbeiterin betreuen hier die Emigranten . Religionsunterricht findet zwischen - verbunden mit allgemeiner formationstätigkeit - nicht nur in Lübeck , sondern auch in Kiel und Rendsburg statt . 
Doch wie schwierig es ist , religiöses Leben nach den rituellen Vorschriften in schaft zu gestalten , zeigt sich , wenn man sich zu Gottesdiensten oder religiösen en in der Lübecker Synagoge treffen will - eine umfassende , das ganze Land de Verkehrsplanung mit ten und längeren Eisenbahnfahrten ist wendig , um alle teilhaben zu lassen . 
Verständlich ist daher der Wunsch der Jüdischen Gemeinde in Hamburg , die Emigranten verstärkt in und um Lübeck anzusiedeln , denn dort ist um die ge das neue Zentrum jüdischen Lebens in Schleswig - Holstein . Wenngleich präsidentin Heide Simonis weitgehende Hilfe zugesichert hat , hat dieser Wunsch bei der schleswig - holsteinischen regierung wie auch auf kommunaler ne bisher noch nicht das erforderliche Gehör gefunden . 
Es besteht die Hoffnung , daß mit den „ neuen " Menschen wieder eine jüdische Gemeinde in Schleswig - Holstein mit Kern in Lübeck erwachsen kann , die auch das den meisten von ihnen kannte religiöse und kulturelle Erbe aus 250 Jahren vergangener Geschichte tragen kann . Dazu muß auch in Lübeck und Schleswig - Holstein ein Klima schaffen werden , in dem diese zarte ze namens Hoffnung Wurzeln schlagen kann , ohne Furcht haben zu müssen , neut zertreten zu werden . ■ 
54 
NORDEUROPA 
forum
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.