Full text: (1994)

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NEONAZIS IN SCHWEDEN : 
„ Fürs Vaterland " 
In dem Land , das Kurt Tucholsky einst zweite Heimat war , stärken sich seit 1991 fremden feindliche Tendenzen . Experten gehen angesichts immer größer werdender Flüchtlingsströme und wachsender Arbeitslosigkeit davon aus , daß der Höhepunkt noch nicht erreicht ist . 
Stefan Merx 
Die Herren A . und P . sagen ihre Namen nicht , denn sie sind vom Verfassungsschutz . Obwohl wir im sicher abgeschirmten Hauptquartier der schwedischen Reichspolizei sind , schließt Herr P . das Zimmer ber ab , bevor das Interview beginnen kann . Thema : Rechtsextremismus in Schweden . Häufigste Antwort : „ Kein Kommentar . " Der sonst stumm und entwegt freundlich dreinblickende Herr A . sagt das mit schöner Regelmäßigkeit . akt dafür sitzt er offenbar da . So fällt kein Wort zum polizeilichen Konzept gegen die wachsende rechtsradikale Gewalt in Schweden . Stattdessen erklärt Herr P . die Häufung fremdenfeindlicher Übergriffe mit „ erhöhter polizeilicher keit seit Ende 1992 " - zumindest wohl beim Führen der Strichlisten . „ ständlich haben wir alles unter Kontrolle . " Der Schlußsatz des hochgeheimen sprächs tönt so banal , daß selbst die ren A . und P . schmunzeln müssen . 
1993 war das bislang schlimmste Jahr der rechtsextremen Gewalt in Schweden . So lautet die Einschätzung des in London verlegten antifaschistischen zins Searchlight . Nicht nur einschlägige Statistiken belegen das . Auch abseits der blanken Buchführung über liche Anschläge häufen sich Hinweise auf eine gesteigerte Abneigung vieler den gegen Nichtnordisches . 
Das Land , von der Rezession hart fen , steuert nach Expertenschätzungen in 
Stefan Merx ist freier Journalist und lebt zur Zeit in Glasgow . 
diesem Jahr auf eine Arbeitslosenquote von mehr als 15 Prozent zu . Die Zahl der suchenden hat sich 1992 auf 84 . 000 schen fast verdreifacht . Schnell werden Flüchtlinge - obwohl mit einem offiziellen Arbeitsverbot belegt - zum schmarotzenden syndaboch gestempelt . Manchmal sind sich Sprachen recht ähnlich . 
Der schwedische Ombudsmann gegen ethnische Diskriminierung informiert : „ Der gesamte Kostenaufwand der chen Einwanderungsbehörde belief sich im Budget 1991 / 92 auf rund sieben Milliarden Kronen . Für Süßigkeiten gaben die den zur gleichen Zeit 7 , 5 Milliarden aus , für Lotterien und Glücksspiele 21 und für alkoholische Getränke 24 Milliarden . " 
Einwanderungsfeindliche Jugendkultur 
Doch solche und ähnliche originelle Aufklärungskampagnen gehen schlicht ter im ungewohnt lauten Stimmungsgetöse der Boulevardpresse . Die größte tung im Land , Expressen , verkündete im September auf der Titelseite : „ Schmeißt sie raus ! - So denkt das schwedische Volk über Flüchtlinge und Einwanderer " . Der Schriftleiter nahm anschließend seinen Hut , aber die Botschaft saß . 
Anna - Lena Lodenius hatte 1991 schon befürchtet , ihr Buch „ Rechtsextremismus " könnte bei Erscheinen bereits überflüssig sein . Doch im Gegenteil : che Tendenzen haben sich seither stärkt . „ Der Höhepunkt ist noch nicht reicht " , glaubt die 35jährige Journalistin heute . Die Kennerin der Szene überrascht inzwischen kaum noch etwas . Nicht 
mal , daß die stramm - nationale Rockband Ultima Thüle kürzlich Platz zwei der schwedischen Pop - Hitparade erobert hat - mit dem Lied „ Fürs Vaterland " . Es sei reits „ Teil der Jugendkultur geworden , tionalistisch eingestellt zu sein und wanderer nicht zu mögen " , sagt Lodenius . Nach Erkenntnissen der Polizei werden die Flüchtlingslager in den meisten Fällen von ansonsten unauffälligen Jugendlichen aus Nachbarorten attackiert , oft ken und meist in Gruppen . Daß bei danschlägen noch kein Flüchtling ums ben kam , ist nur ein glücklicher Zufall . Imponiergehabe ist nach Lodenius' cherchen ein wichtiger Auslöser für die gendliche Gewalt : „ Junge Schüler fühlen sich unbesiegbar , wenn sie eine nummer von VAM im Adreßbuch haben . " 
VAM - „ Weißer Arischer Widerstand " - ist eine militante , rassistische on , die über enge Kontakte zur nalen „ White Power " - Bewegung verfügt . Zum harten , kriminellen VAM - Kern den nur etwa 50 Personen gezählt , über hinaus gehen Experten noch von etwa 500 weiteren Aktivisten aus . Sie hen sich als „ weiße Soldaten im krieg " , wie in der VAM - Zeitschrift Storm verbreitet wird . Über dieses gespickte Druckwerk ruft VAM zum „ Kampf gegen die zionistische regierung " auf und veröffentlichte 1993 Namen , Adressen und Telefonnummern sogenannter „ Rassenverräter " . Darunter fand sich u . a . ein Steckbrief von Anna - Lena Lodenius , versehen mit dem Code ihres elektronischen Haustürschlosses . Dazu eine Aufforderung an den „ jungen künftigen Soldaten " , sie an der weiteren Arbeit zu hindern . Eine Morddrohung , verkappt als „ edler Pionierauftrag " . lang blieb Lodenius verschont , von briefen einmal abgesehen . 
Tätigkeitsbericht des schwedischen Verfassungsschutzes , Oktober 1992 : „ tremistische Gruppen aus der rechten Ecke stellen nach Meinung der heitspolizei keine politische Kraft in der Gesellschaft dar . Sie sind indessen lich wegen ihrer Neigung zu Gewalt . Mit ihrer Propaganda nutzen sie furcht aus . Diese verstärkt sich in der sellschaft durch den größer werdenden Flüchtlingsstrom in Verbindung mit sender Arbeitslosigkeit und Sorge vor schlechter werdenden sen " . 

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