Full text: (1995)

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CARL - MICHAEL BELLMAN : 
Mehr als nur ein Krugpoet 
Am 7 7 . Februar 1995 jährte sich zum 200 . Male der Todestag des großen schwedischen Sängers und Dichters Carl Michael Bell - man . Humor und Wirklichkeitsnahe sind die dominierenden mente seiner reichen , vielgestaltigen und eigenwilligen Poesie . 
Hans - Jürgen Hube 
Carl - Michael Bellmann ( 1740 - 1795 ) , der älteste Sohn in der großen Kinderschar eines pietisti - schen Hofbeamten und einer tochter , erhielt eine gediegene Erziehung . Schon mit siebzehn Jahren trat er mit nen Gedichten und religiösen gen hervor . Doch der junge Mann erfüllte die Erwartungen nicht ganz , denn während seiner Lehrzeit im Bankfach 1756 - 1759 machte er Schulden und mußte nach Norwegen fliehen . Er war in den Vergnügungswirbel Stockholms geraten , der so typisch für die Zeit um 1760 war . Durch gelegentliche Dienstleistungen bei verschiedenen Staatsbehörden konnte sich Bellman über Wasser halten . Erst nach 1770 verbesserte sich seine mische Stellung : Durch das Eingreifen Gustavs III . wurde er Königlicher Sekretär der Nummernlotterie , ein Amt , das ihn wenig belastete , da es vom Stellvertreter versehen wurde . Trotz seiner Popularität als Poet und seiner guten Beziehungen zu führenden Persönlichkeiten und Familien im damaligen Stockholm gelangte er erst spät zu literarischem Ruhm . Wenige nate vor seinem Tod geriet er sogar in Schuldhaft . Allerdings war diese von was vornehmerer Art : nämlich im holmer Schloß . Er starb mittellos . 
pr . sc . Hans - Jürgen Hube ist Dozent für skandinavische Sprachen und Literatur am Nordeuropainstitut der Humboldt - Universität zu Berlin . 
Bellman wuchs im Stockholmer Stadtteil Södermalm auf . In den Vorstädten lebten , von Elend und Alkohol gezeichnet , die Armen . Södermalm war ein Ort der gensätze : Zwischen einigen vornehmen Steinhäusern Bürgerlicher und Adliger standen Holzhütten , Manufakturen und billige Schenken . Hier wurde er mit dem Kreis von Volksgestalten bekannt , den er in seinen Werken beschrieb . Er erlebte die politischen Auseinandersetzungen der Freiheitszeit , stellte sich auf die Seite der kleinen Leute , griff Adlige und winnler an und setzte Vertrauen auf stav III . , der ihm 1776 schließlich den tel des Hofsekretärs verlieh . 
Sein Debüt gab Bellmann 1783 mit der Gedichtsammlung Bacchi Tempel . Hier findet man als eine Art Bacchus - Religion eine Reihe parodistischer nien . Die erstaunliche mythologische lehrsamkeit und die Kühnheit im Spiel mit damaligen intellektuellen Vorstellungen , dazu der avancierte artistische Stil , den man darin verspürt , werfen ein neues Licht auf Bellmans in den schichten noch gemeinhin propagierte „ naive Künstlernatur“ . Auch seine lung zum ererbten Christentum und zur Kultur der gustavianischen Epoche fen noch weiterer Klärung . Bellmans Hauptwerk Fredmans epistlar ( Fredmans Episteln ; 1790 ) bestand aus 82 Liedern , schön gestochen in der ersten druckerei Stockholms . Einige waren als Bibelparodien gedacht und spielten auf 
die Episteln des Paulus an . Doch gab man diesen Bezug bald auf . Viele Lieder waren schon vor ihrem Erscheinen in Flugblättern gedruckt worden . 
In Fredmans epistlar pries Bellman die Kleinbürgerboheme Stockholms . Fredman als Bellmans Alter ego wird darin als macher ohne Uhr , Werkstatt und Geschäft vorgestellt . Um ihn herum gruppiert der Dichter einen burlesken Kranz von nalen , Wirtshausmädchen , Musikanten , ausgedienten Korporalen und gesellen . Die weibliche Hauptgestalt , Ulla Winblad , mit deren Urbild ihn zeitweise eine Liebschaft verband , wurde die sche Verkörperung des Mädchens aus dem Volk ; mit Fug und Recht ist sie mit den berühmtesten Gestalten der ratur verglichen worden . 
Daß die Musik ein integrativer Teil der Dichtung war , hatte schon der damals in Kunstfragen tonangebende Poet und erste Präsident der Schwedischen Akademie , Josef Kellgren , in seiner Einleitung zur Erstausgabe der Episteln festgestellt . man benutzte zwar bekannte Melodien , doch formte er viele um , einige schuf er selbst . Er trug seine Lieder selbst zur Ci - ster , einer älteren Gitarrenform , vor . mans musikalische Anleihen reichten von Händel bis Mozart oder wurzelten in genössischen Singspielen , besonders im französischen Chanson . 
Bellman produzierte sich in einem Mil - lieu , in dem jeder jeden kannte , das antike und mythologische Bildungsgut ziemlich einheitlich erlebt wurde und die klassische literarische Tradition noch lebendig war . Travestie und Parodie waren sanktioniert ; erst vor wenigen Jahren hatte Hofdichter Dalin beispielsweise den Hof amüsiert , dem er das gravitätische Gebaren und den Predigtstil der Geistlichen parodierte . Für das Spielerische und Respektlose Bell - manscher Kunst und für die Genußlehre dieses Poeten war man in der den „ Freiheitszeit“ mit ihren ständig henden politischen ökonomischen Krie - sen besonders empfänglich , weite Kreise waren vom aufklärerischen Skeptizismus und einer hedonistischen Rokokokultur geprägt . 
Virtuos hat Bellman das traditionelle Trinklied mit seiner dionysischen keit zu höchsten Höhen geführt . Zu den besten Stücken seiner populären onskunst und der Bibelparodien gehören allseits bis heute so bekannte Lieder wie 
Nr . 3 , 1995 
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