Full text: (1992)

Ulla Skoglund 
Was weiß Europa schon über Finnland ? Rentiere soll es dort geben , die Menschen seien alle blond und dem Alkohol mehr als zugetan , in den zwei Wochen Sommer schwimme man in den tausend Seen in der nachtssonne und das restliche Jahr kämpfte sich das Völkchen auf Skiern durch den Schneesturm - so erklärt sich der relativ große Erfolg finnischer Langläufer und Langläuferinnen bei nationalen Wintersportereignissen wie von selbst . Diejenigen , die einen Vorstoß in das nordöstliche Land gewagt haben , wissen noch mehr zu erzählen : lich teuer sei dort alles , man stelle sich vor , für ein Chemiebier 10 Mark oder mehr ! Diese Finnen seien aber ganz lich und freundlich gewesen , nicht einmal protestiert hätten sie , als Familie Müller das Frühstücksbuffet im Hotel in die schen packte oder den lästig - vollen Aschenbecher auf dem Parkplatz te . Nicht , daß den Finnen die Umwelt egal wäre , im Gegenteil , aber man meckere eben nicht . Und sogar der wart in der Provinz habe englisch chen . Gewundert habe man sich um so mehr , daß alles trotzdem so „ normal " wesen sei - Autos , Meider , Geschäfte , eben wie zu Hause . Abgesehen von den Preisen , versteht sich . Der kleine gang sei ein wenig enttäuscht gewesen , als es in Helsinki keine Rentiere zu sehen gab - aber es ist ja bekannt , daß anstalter bei so exotischen Ländern wie Finnland ihren Hang zum Übertreiben schwerlich unterdrücken können . Dafür habe das Monopoleis dem kleinen gang um so besser geschmeckt , ohne Farbstoffe und sonstige Zusatzstoffe , ganz nach finnischer Art eben . Moment mal , wieso eigentlich Monopoleis , etwa um die Qual der Riesenauswahl zu erleichtern ? Wohl kaum . Was haben Monopoleis , nopolalkohol , Monopolmilch , butter , Monopolkäse und Monopol haupt mit Europa zu tun ? Bald gar nichts , oder spätestens dann nicht mehr , wenn die „ Schweiz des Nordens " im Kreise der europäischen Brüder und Schwestern genommen werden möchte . 
Es ist wahrlich nicht leicht , ein Finne zu sein , um den in seiner kalten Heimat 
gar nicht so geliebten Regisseur Aki Kau - rismäki frei zu zitieren . Ob Kaurismäki sich einzig auf das weitgehend durch staatliche Fördergelder gesteuerte Filmge - schäft , das ihn in das „ intellektuelle Exil " ins Ausland trieb , bezogen hat , sei gestellt . Er hat wohl einen der sten Fehler begangen , unser guter mäki , indem er öffentlich erklärte , daß er Finnland hasse . Kritisiere niemals das Land deiner Väter , ist das elfte Gebot , das die kleinen finnischen Babys bereits mit der Muttermilch zu verinnerlichen nen . Meistens bleiben kritische Geister wie Kaurismäki den kritikempfindlichen Finnen auch erspart . Zu Hause sind eben alle brav . Gott sei Dank , oder doch nicht ? 
Und jetzt plötzlich liebäugelt so cher , der etwas in der Politik und schaft zu sagen hat , mit Brüssel . Das faßbare , schier unglaubliche , scheint sich anzubahnen : Die Erkenntnis , daß ein Finnland außerhalb der Europäischen Gemeinschaft auf lange Sicht kaum schaftlich und politisch lebenstüchtig bleiben wird . 
Fremde Herrscher und andere Sitten waren den Finnen schon immer ein Dorn im Auge . Mit dem berühmten finnischen „ Sisu " - Eigenschaften wie Ausdauer , Fleiß , Kraft , Zähigkeit , Starrköpfigkeit und Eigensinnigkeit in einem - hat man bisher für die Eigenständigkeit gekämpft und damit in den eigenen Augen manch unangenehme Entwicklung abwenden können . Jahrzehnte wurde die finnische Realpolitik stets mit dem traurigen Schicksal der Balten vor Augen ben . „ Big brother is watching you " und mit diesem großen Bruder im Osten teilte man eine lange Grenze . Einen neten , der dermaßen unvernünftig war , daß er die Berücksichtigung dieser che bei jeder innen - und schen Entscheidung zu kritisieren wagte , schickte Präsident J . K . Paasikivi ( 1946 - 1956 ) einstmals prompt nach Hause . Dort sollte sich dieser bitte genau anschauen , wo sich Finnland auf der Landkarte findet und erst danach , wenn er es noch für politisch tragbar hielte , seinen Mund so weit aufmachen . Diese „ realpolitische " Anekdote erzählt leider nicht weiter , ob der abtrünnige Abgeordnete durch die ge - opolitische Rüge des damaligen sidenten wieder zu der angebrachten tischen Besinnung kam . Theorien , wie die der „ Finnlandisierung " oder die 
liche und durchaus unglückliche wechslung der Abkürzung „ SF " mit wjet - Finnland ( für diejenigen , die es mer noch nicht wissen : „ SF " heißt Suomi - Finland ) ließen die Finnen leicht nicht kalt , aber man blieb unbeirrt am Boden der gegebenen Tatsachen . Mit anderen Worten : Es herrschte lange bei den Finnen ein starker Konsens darüber , daß man , obwohl neutral , souverän und selbständig , doch eine gewisse herrschung auszuüben habe . 
Man tut sich nun schwer mit der tion des „ klugen Schweigens " zu brechen , wundert sich aber gleichzeitig , daß eine konstruktive Diskussion auf Grundlage einer gesunden Streitkultur auch in einer Demokratie gelernt sein will . Der rand , über den man aus Selbstschutz ge nicht so recht schauen wollte , hat ne klare Form eingebüßt . Eine Politik , die zwischen den beiden Supermächten im eigenen Interesse - zugegebenermaßen oft mit Berechtigung - „ friedensstiftend " und „ vermittelnd " zu jonglieren versuchte , will nicht mehr so recht in das heutige bild hineinpassen - zumal es die eine der beiden Supermächte gar nicht mehr gibt . Die „ Kein Kommentar " - Zeit in der schen Außenpolitik ist abgelaufen . Dies müßte den Finnen - in erster Linie den finnischen Politikern - spätestens seit dem August - Putsch 1991 in Moskau schmerzlich klargeworden sein . 
Geschmerzt hat es die meisten Finnen , mitansehen zu müssen , wie sich ihre tische Führung während der Putsch - Tage wie ein Haufen eingeschüchterter jungen in der Öffentlichkeit präsentierte . Das Wort „ Putsch " oder „ rechtsverletzung " wollte man nicht in den Mund nehmen . Dagegen wurde mehrmals deutlich signalisiert , daß es sich hier nur um eine interne Angelegenheit der ligen Sowjetunion handelte ( eine ernswerte Sache an sich ) - wie das schlachten friedlicher Studenten in Peking , die nicht mehr von Freiheit und Demokratie nur träumen wollten , eine rein chinesische Sache war . Kein Grund also , von der altbewährten Linie chen , mit anderen Worten : „ Business as usual " . Während sich die übrigen navischen Länder mit ihren stern an der Spitze darin einig waren , daß auf die erschütternden Ereignisse in skau und der übrigen UdSSR nicht womöglich über Leichen hinweg politi - 
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