ESSAY
Verstehen wir uns
Interkulturelle Kommunikation benötigt mehr als das Gespräch zweier Menschen aus zwei dern . Das Beherrschen einer gemeinsamen Sprache reicht nicht aus , um sich zu verstehen . In jeder Unterhaltung schwingen Konnotationen , Untertöne und Erfahrungen mit , die auf der anderen Seite eventuell nicht erkannt werden . Was ist bei einer deutsch - schwedischen Kommunikation
zu beachten ?
Klaus Rossenbeck
Szene in einem besseren italienischen Restaurant in Malmö , abgelauscht im April 1992 . Ein Herr am tisch , an Sprache und Habitus unschwer als deutscher Geschäftsmann zu erkennen , mit schwedischer Dame , vermutlich schäftspartnerin , studiert die Speisekarte und erkundigt sich in bis auf die che ganz passablem Schwedisch beim ner nach einer Vorspeise , deren Hauptzutat offenbar Tomaten sind : „ Är det svenska mater ? [ Sind das schwedische Tomaten ? ] " Der Kellner versichert : „ Visst , svenska mater ! [ Natürlich , schwedische ten ! ] " , worauf der Herr aus Deutschland antwortet : „ Dom smakar ju ingenting ! [ Die schmecken ja nach nichts ! ] " Der Kellner wird merklich kleiner , die Dame schaut kiert zur Seite . . .
Nun hätte es wohl in den meisten Ländern ziemlich unhöflich gewirkt , mandem unprovoziert ins Gesicht zu gen , daß ein Produkt des Landes nichts taugt , doch dafür hatte besagter Herr fenbar kein Gefühl . Aber nicht nur das - er hatte offenbar auch keine Ahnung von , wie sehr die Schweden ihr eigenes Gemüse , ihr Obst etc . schätzen , weil sie es für besonders gut und gesund halten : holländische Tomaten z . B . haben einen schlechten Ruf , viele Schweden kaufen sie nur , wenn es keine schwedischen Tomaten gibt , oder sie kaufen sie des niedrigeren Preises wegen - der stand vieler Schweden gegen eine schwedische EG - Mitgliedschaft wurzelt wenigstens zum Teil in ihrer Furcht , daß der schwedische Markt von minderwer -
Dr . Klaus Rossenbeck ist seit 1987 als Germanist an der Universität Lund tätig , wo er sich 1989 habilitierte .
tigen Billig - Lebensmitteln aus anderen EG - Ländern überschwemmt werden könnte . Hätte der Herr doch nur etwas von dieser Aversion der Schweden gen ausländische Tomaten gewußt ! te er doch nur gewußt , wie sehnsüchtig die Schweden jedes Jahr z . B . die ersten im Lande geernteten Erdbeeren ten , von den Frühkartoffeln ganz zu schweigen ! Hätte er doch nur gewußt , daß die erste Kartoffelernte vielen tungen eine Nachricht auf der ersten Seite wert ist und daß pro Kilo für die ersten neuen Kartoffeln im Einzelhandel nicht selten 100 Kronen verlangt - und offenbar auch bezahlt werden . . .
Wenn sich besagter Herr in Schweden auch sonst ( und besonders bei seinen Geschäftsverhandlungen ) so ahnungslos aufgeführt hat , wird er wohl wenig pathien geerntet haben . Schweden ben es nun einmal nicht , wenn sie und ihr Land 'öffentlich' kritisiert werden ! Zudem entspricht er nur allzu gut einer in Schweden immer noch ( oder schon wieder ) verbreiteten lung , die Deutschen fühlten sich ren überlegen , träten auftrumpfend auf , seien laut , dominant , arrogant , berisch , aggressiv und anspruchsvoll , seien auch leicht zu irritieren , wenn ihre Ansprüche nicht erfüllt werden : alles gativ besetzte Eigenschaften , die nicht gerade ideale Voraussetzungen für die Etablierung eines guten persönlichen Kontakts bilden , der seinerseits für die in Geschäftsbeziehungen so wichtige Vertrauensbildung von oft der Bedeutung ist .
Bei der Kommunikation über und Kulturgrenzen hinweg - dies mag die geschilderte Szene verdeutlicht haben -
ist es mit Sprachkenntnissen , die es einem ermöglichen , formal korrekte Sätze vorzubringen , allein nicht getan . Bei jeder Kommunikation spielen immer noch eine Vielzahl anderer Faktoren eine Rolle : sprachliche Strategien , außersprachliches Verhalten ( u . a . Mimik und Gestik ) , munikation durch Bilder und nicht letzt gewisse ( positive und negative ) vorstellungen . Diese Faktoren bilden zusammen einen wichtigen Teil des zugsrahmens , der den Angehörigen eines Kulturkreises weitgehend gemeinsam ist . Wenn man mit Angehörigen des gleichen Kulturkreises kommuniziert , reflektiert man normalerweise gar nicht über diese Dinge ; vielen werden sie noch nicht mal in der Konfrontation mit anderen Kulturkreisen bewußt - und dann kommt es leicht zu meist gar nicht beabsichtigten Kollisionen durch ein Verhalten , das nem selbst ganz natürlich erscheint , bei Kommunikationspartnern jedoch den auslöst . Kommunikationsstörungen können sich aber nicht nur dann len , wenn man sich in den Augen der deren wie der Elefant im Porzellanladen aufführt , sondern auch dann , wenn man das Verhalten eines partners falsch deutet und sich daraus aktionen des Mißtrauens oder der wehr , Gefühle der Überlegenheit oder der Unterlegenheit angesichts von kulturell Fremdem ergeben . Mangelnde heit mit kulturell bedingten ten ist in beiden Fällen der Grund dafür , daß man nicht richtig zueinander findet .
Nun sind die Unterschiede zwischen Schweden und den deutschsprachigen Ländern gar nicht so groß , viel kleiner denfalls als z . B . zwischen europäischen und asiatischen bzw . arabischen Ländern ,
Nr . 4 , 1992