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Korrespondent in Finnland
Als ich vor ein paar Tagen an meinem Schreibtisch sitze und an einem Manuskript arbeite , ruft mich ein Freund aus Kiel an und erzählt begeistert von seiner Fahrradtour die Elbe aufwärts bis nach Prag , von der er gerade zurückgekehrt ist - es war herrlichster Altweibersommer . Als er mich schließlich zu Wort kommen läßt , kann ich nur beisteuern : „ Bei uns schneit es seit ein paar Tagen , es ist kalt , und auch sonst geht es hier wärts . "
Eigentlich ist es ja nun wirklich nicht meine Aufgabe , Ihren urteilen hinsichtlich Finnland Nahrung zu geben . Ein knackiger Winter ist ja auch nicht zu verachten , eher im Gegenteil ist ein richtiger Winter mit viel Schnee und Frost viel angenehmer als ne ( nord - ) deutsche Variante mit Schneeregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt . Und überhaupt : Hier in Finnland gibt es noch richtige Jahreszeiten !
Aber ansonsten geht es mit Finnland gegenwärtig wirklich wärts und man ist versucht , einen zu frühen Wintereinbruch ( schon Mitte Oktober ) mit auf die Liste der Probleme zu setzen . Die wirtschaftliche Lage Finnlands ist katastrophal und ein Ende des Abwärtstrends nicht in Sicht . Die Europa - Euphorie vom Frühjahr des Jahres ist schon wieder verflogen ( Finnland hatte bekanntlich im März Antrag auf EG - Mitgliedschaft stellt ) . Die weiter wachsende Arbeitslosigkeit , diverse direkte und indirekte Steuererhöhungen , der Abbau von gen , ja vor allem das plötzliche Ende des Traums vom fahrtsstaat , in dem alles immer besser wird , stürzt das Land in die tiefste nicht nur ökonomische , sondern auch mentale Krise seit dem Zweiten Weltkrieg .
Auch der Mythos der Paasikivi - Kekkonen - Linie bricht wärtig stückweise zusammen : Je mehr finnische Wissenschaftler die Gelegenheit nutzen , in Moskauer Archiven der Geschichte der finnisch - sowjetischen Beziehungen in der Nachkriegszeit nachzuspüren , desto mehr wird der erstaunten finnischen fentlichkeit bewußt , daß auch der große Kekkonen ein bißchen viel mit dem KGB gekungelt hat und seine Agrarunion sogar Wahlkampfgelder aus Moskau erhielt . Das hatten noch nicht einmal die Vertreter der Finnlandisierungsthese zu behaupten gewagt ! Auch der gegenwärtige Staatspräsident Koivisto hat geblich in den achtziger Jahren vor Regierungsbildungen stets Rücksprache in Moskau gehalten - ob denn immer noch etwas dagegen einzuwenden sei , die konservative Sammlungspartei in die Regierung zu nehmen .
Im 75 . Jahr der Unabhängigkeit wachsen auch in Finnland tionalismus und Ausländerfeindlichkeit und gegenwärtig sieht es so aus , als ob die Reaganomics mit ihrer Ideologie der freien Marktkräfte das Spiel machen werden .
Ich für meinen Teil versuche , die Internationalisierung lands zu unterstützen . Es gibt im Lande immer noch sehr wenig Ausländer ( ca . 43 . 000 bei ca . 5 Millionen Einwohnern ) - Finnland
Nordisches Institut der Universität Kiel
Burkhard Auffermann
Burkhard Auffermann
Geboren 1956 in Göttingen , aufgewachsen in Bremen und Hamburg
Studium der Volkswirtschaftslehre , Politikwissenschaft und Geographie an der Freien Universität Berlin Seit 1981 liiert mit Finnland durch Freundschaft und Ehe mit einer Finnin , lebe seit 1984 mit Unterbrechungen in Tampere 1987 - 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich litische Wissenschaft der FU Berlin ( Friedensforschung )
Seit 1989 wissenschaftliche und Lehrtätigkeit am schungsinstitut in Tampere ( TAPRl ) und an der Universität Tampere , z . Zt . Lehrstuhlvertretung ( Ass . Prof . ) im Bereich ternationale Politik
Und das Wichtigste : Vater einer dreijährigen Tochter , die viel schneller finnisch lernt als ich .
NORDEUROPA
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hält dem Vergleich mit Albanien wohl immer noch stand . Aber die Zahl der Studenten , die aus Finnland für ein oder zwei Semester ins Ausland gehen , nimmt erfreulicherweise zu . Im Sommer gelang es , eine Kooperation mit dem Fachbereich Politische Wissenschaft
der Freien Universität
Berlin zu vereinbaren .
Zukünftig werden also regelmäßig finnische Studentinnen und denten für einen grenzten Zeitraum nach Berlin kommen . Aber wer kommt im tausch nach Finnland ?
Die Sprachbarriere ist weiterhin ein so großes Hindernis , daß wir uns an der Universität pere schon im genen Jahr entschlossen haben , in den wissenschaften ziplinäre chige Programme anzubieten . Informationen gebe ich gern auf Nachfrage ; hier möchte ich mich auf die Ankündigung beschränken , daß im Herbst 1993 ein Programm „ Nordic / Baltic Studies " beginnen wird , das auch für deutsche Skandinavien ( besonders solche mit sozialwissenschaftlichen Haupt - oder Nebenfächern ) offenstehen wird . Warum also nicht mal für ein oder zwei Jahre nach Tampere kommen ?