Full text: Lebenserinnerungen von Christoph Heinrich Pfaff, Doctor der Philosophie und Medicin ...

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dieses für mich eine Klippe gewesen . In Kiel , als ich nach Trennung meiner ersten Ehe mehr einsam dastand , fühlte mein Herz eine gewisse Leere , und so ward ich unwillkürlich aber auch angezogen durch das freundliche Entgegenkommen mancher liebens - würdigen Damen , — die mit einem richtigen Tacte den Sinn für ihre Liebenswürdigkeit erkennen und beachten — manche Jahre hindurch in gewisse Zauberkreise festgebannt , denen , ich darf es nicht läugnen , ich wohl manche schönere Stunden ver - dankte , in denen es aber auch an Illusionen nicht fehlte , und die Eitelkeit nur zu sehr zum Nachtheile eines edleren Strebens genährt wurde . 
Würde ich nur eine kleine Portion des genial - poetischen Geistes eines Goethe , wie er sich in seiner Wahrheit und Dich - tung so unwiderstehlich anziehend dargestellt , besitzen , so würde ich vielleicht diesen Erinnerungen durch das Ausmalen solcher Verhältnisse — ohne Zweifel für manchen Leser — einen größeren Reiz haben geben können . Aber es lag dies meinem jetzigen Lebensernste , in welchem diese Erinnerungen abgefaßt sind , fern . 
Ich habe mich indessen bemüht , diesem Mangel für den Leser durch Einflechtung mancher kleiner Digressionen aus andere interessante Gegenstände , namentlich Männer , die mich mehr oder weniger berührten , und auf meinem Lebenswege mir gegen traten , zu ersetzen , und ich habe solche Gelegenheit um so lieber ergriffen , da es mir immer schwer wurde , mich ausschließ - lieh mit mir selbst zu beschäftigen , und mich gleichsam zum telpunkte dieser Schrift zu machen . 
Doch habe ich durch diesen letzteren Umstand jenen wohl nicht geringen Vortheil erreicht , gleichsam beim Wiederdurchgehen eines langen Lebensganges , bei der lebhafteren Erneuerung der Erinnerungen an denselben , wozu mir namentlich auch das Wiederdurchlesen meiner Briefe reichlichen Stoff gab , jenem Ziele immer näher zu kommen , das jedem Menschen eine Haupt - ausgäbe sein müßte , über sich selbst und sein Innerstes immer mehr in's Klare zu kommen , der Mahnung getreu , die mich sehr frühe schon angesprochen hat , und die ich nie aus den Augen verlor , jener Mahnung , die der unsterbliche Herder in seiner ihm
	        
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