Full text: Lebenserinnerungen von Christoph Heinrich Pfaff, Doctor der Philosophie und Medicin ...

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französische Feinheit im Umgange . Glücklicherweise war unser ärztliches Verhältniß sehr freundlich , und ich erinnere mich dankbar , daß er in der Behandlung der Pflegetochter der Gräfin , einer Comtesse Ina Holk , einer liebenswürdigen jungen Dame , die von dem dort einheimischen gastrischen Nervenfieber befallen wurde , meinem Rathe den Vorzug ertheilte und deren BeHand - lung mir überließ . Glücklicherweise wurde der Graf durch die von dem frcrnzösischen Arzte befolgte in meinen Augen etwas heroisch erscheinende Cur dennoch wieder hergestellt . Eine so große Annehmlichkeit es auch für mich war , häufig in der Ge - fellschaft des Grafen , so oft es sein Befinden erlaubte , die Kunst - schätze Roms zu betrachten , da er selbst ein gebildeter Kunstkenner war , so litt ich doch nicht selten durch die Mißstimmung , die unsere Divergenz in politischen Ansichten hervorbringen mußte , um so mehr , da ich mir in meiner obwohl nur temporären Ab - hängigkeit einen gewissen Zwang aufzulegen genöthigt war . Diesen Zwang fühlte ich nach meiner Individualität um so mehr , da ich — immer noch ein Adept der französischen Revolution , und groß geworden in dem Enthusiasmus für Benjamin Franklin und Jefferson — mich in aristokratischer Atmosphäre , wenn gleich , wie es hier der Fall war , durch persönliche , edle und liebens - würdige Eigenschaften gemildert , nie so ganz wohl fühlen konnte . Mich indeß - nicht ohne innere Bewegung von der gräflichen Fa - milie trennend begrüßte ich , der Unabhängigkeit wiedergegeben , freudig mein Vaterland . 
Aufenthalt als practischer Arzt in Heidenheim bis zum Ende des Jahres 1707 . 
Ich sollte nunmehr meine neue Laufbahn beginnen . In meiner Vaterstadt wollte ich mit meinen nächsten Freunden , namentlich mit meinem Schwager Jäger und dem Doctor Hopfengärtner , die beide überdies sich schon ein großes Vertrauen erworben harten , in der ärztlichen Praxis nicht concurriren , und so ergriff ich die bescheidene Stellung eines Practicus in der Landstadt Heidenheim . Ein stattliches Reitpferd konnte ich zw^ nicht mitnehmen , dazu sollte erst die Praxis verhelfen , dagegen aber doch einen guten bequemen Sattel für die fremden Pferde , auf denen ich meine Praxis zu besorgen hätte .
	        
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