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Drusus .
Es ist ungerecht , eine ganze Gemeinschaft unter demVsrwande zu be - leidigen , weil eine gewisse Anzahl Schriftsteller Merkmaale von sich geben , daß sie sich ein wenig zu viel Einbildung in den Kopf gesetzt ha - ben . Bossuet hätte wohl gethan , wenn er dieses beobachtet . >Dieß ist meine erste Betrachtung . Man thut seiner Partey von außen großen Schaden , wenn man zu seiner Vertheidigmig alle Arten von Gründen . gure oder böse annimmt , ohne von demjenigen abzugehen , was man einmal gesaget hat ; allein diese Aufführung ist dem Nutzen von innen nicht nachtheilig : sie ernähret das Vorurtheil und Vertrauen der Gemüther , und bläst ihnen die Leidenschaften der Verfechter ein . Dergleichen Leute hüten sich wohl , den geringsten Schritt zu thun , daraus ihre Parteyen Vortheil ziehen könnten ; sie begeben sich niemals des Rechts dieses oder jenes , diese oder jene Ansprüche anzuführen : dieß vermehret ihre ten , dieß machet sie belebt und feurig . Es ist nicht nach dem zeitlichen Nutzen einer Genieinschaft , daß alle Gemüther dabey vernünftig sind . Die hitzigen Leute , die ihr nur aus einem Rottengeiste folgen , erweisen ihr , menschlicher weise davon zu reden , tausend gute Dienste . Es ist also nützlich , daß sich dergleichen Trotzköpfe dabey befinden ; eS ist ein nothwendigeS Uebel . Dieß ist meine andere Betrachtung . Man darf nicht glauben , daß in einer großen Gemeinschaft die Gelehrten von der GemüthSart des Drusus so seltsam sind , als es zu seyn scheint : man muß nur sagen , daß es wenige giebt , die sich den verwegene , , Urtheilen bloß stellen wollen . Die meisten gemäßigten und rechtschaffenen Leute , wenn sie sehen , daß die Starrköpfe den Beysall und die Gunst der Menge da - von tragen , so lassen sie dieselben gehen , und heulen auch zuweilen mit best Wölfen , damit sie nur in Ruhe und von allem bösen Verdachte be - freyt leben können . Wollte man sie ins Ohr fragen : warum schreibt ihr nicht auch so , wie Drusius ? so würden sie ihre Antwort in der lehr - reichen Fabel suchen :
Quod ( i me popiiliis Romanus forte roget : cur ,
Non yt porticibus , fic iudiciij fruar iisdem ;
Nec fequar , aut fiigiam , quae diligit ipfe , vel odit l Olim quod vulpes aegroto cauta Ieoni ,
Refpondit , rcferam : Qjjia me veftigia terrent ,
Omnia te aduerfum fpeäantia , milla retrorfum .
Horat . Libr . I . Epift . I . VerC 70 .
Dieß ist meine dritte Betrachtung , worauf ich nur noch eine machen werde . Hier ist also die vierte und letzte : ich untersuche nicht , ob bey der absonderlichen Sache , davon Bossuet geredet hat , unser Drusius hätte schweigen sollen ; allein ich getraue mir wohl zu sagen , daß es besser ist , es so zu machen , wie er es gemacht hat , als das Zmgniß Scaligers ungetreu anzuführen . Man würde solches vor Gerichten nicht nnge - straft thun können ; denn es ist fast kein größerer Unterschied unter ei - ner guten und falschen Muntze , als zwischen einem Zeugen vom Hören , sagen , und dem , der es mit Augen gesehen hat . Also hätte Scaliger , der ein Zeuge vom Hörensagen ist , vomZurieu nicht als einAugenzeuge angeführer werden sollen .
Dieser Streit zwischen einem Bischöfe und einem reformirten Pre - biger hat in Deutschland zu einigen Schriften Anlaß gegeben . Ein Gottesgelehrter von dem augspurgischeu Glaubensbekenntnisse hat zu behaupten unternommen , es habe der Bischof Bossuet übel geleugnet , daß die Aufschrift Myfterium auf dem päbstlichen Hauptschmucke gestan - den habe . Er hat ein Werk , in zween Theile abgetheilt . herausgegeben , davon der erste betitelt ist : Myfterium in Pontificis Romani Corona apertum , und der andere , Myfterium in Corona Pontifkiä opertum et reinotum . Er hat in dem ersten so viel Beweise zusammen gehäufet , als er nur finden können , und er untersuchet in dem andern , warum und wie die Aufschrift weggenommen worden , davon die Frage ist ? Ein Doctor der Weltweirheit , Namens Johann Ludwig Hanncmann , ist wider diesen Gottesgelehrten ausgestanden . Dieß ist in einem Buche geschehen , welches er 1698 zu Hamburg unter dem Titel , Myfterium Papali coronae adferiptum non ens , feu Commentarius in caput XVII Apo - calypfeos v . 5 . quo demonftratur Papali coronae mytterion nunquatn fuifle inferiptum , herausgegeben hat . Er thut jweyerley : I . Widers get er alle Gründe seines Gegners . 2 . Führet er verschiedene Beweise an , zu zeigen , daß diese Ausschrift niemals auf der päbstlichen Krone ge - standen hat . Aus dem Tagebuche von Utrecht . Zm Winternmd Christ - monare 1698 . 854 u . f . S .
Lin Jesuit , der sich damit vermengt , den Drusus 5« ta - dein , har weiter nichts gethan , als daß er sich selbst ravelnswkr - drg gemacht . ^ Der P . Garasse , nachdem er auf der 847 , 848 S . der
Somme Theologique versichert , daß es dem Tharron an der gefon * den Vernunft fthle , da er so lacherliche Vergleichungen machet , wenn er nämlich auf einmal den Sokrates , Phocion , Seneca , ReguluS , Jesum Chriswm , die Märtyrer nennet ; so setzet er dazu , daß ihn sol - cheS der srey ungeschicktesten Manner erinnere , die er in ihrer Art gesehen : der erste ist der Raiser - Heliogabalus , welcher - - * Hey Sen größten Gastmahlen Pferdemist unter sie besten Spei , sen mischen lassen : - - - der andere ist der Raiser Alexander Severus gewesen , - * > welcher Jesum Christum unter die wilder des Apollomus T^anaus , des Orpheus , und Abrahams - - - gestellt . Der dritte kann mir einem Xvorre der refor« mirte Prediger Drusus seyn , welcher in seinen Centurien über die heil . Schrift , in Anführung der Schriftsteller so unglücklich isk , als Charron bey Benennung der großen Männer ; denn er führet gemcimglick ein halb Dutzend Schriftsteller auf diese Arr an : »Lsaias im II Capirel , Plaums im Amphirryon , S . - ^ucas in der Apostelgeschichte , Ovidius in dem Ducke , von dem - Hülfs» mittel wider die Atebe , S . Johann Chr / sostomus in den - Ho - melien über des > 23 . Moses , und - Hora ? in seiner Poetik . Die« ses will nickt sagen , daß wir Sie Anführungen aller weltlichen Scribenten mir einer allmgroßen Strenge zurückweist» sollen / unv Saß wir an den großen weltlicken beuten die rühmlicken Wgensckaften nicht loben sollen , Sie sie von Gott erhalten ha - ben ; aber diese in e nander Flcckttincs'der Personen des Sokra - - res , Jesu Christi , de« papians , der Märtyrer , des heil . Johannes , des Plautus , Ses Jeremias , des Aristanerus , des heil . Augustins und des ( Vvidius kann ick nur nickt billigen ; denn bey diesen Abweckselungen ist ein Mangel der Urtheilskrafr und eine Ent - Heiligung . ES könnte ohne die geringste Mühe bewiesen werden , daß diese Beurtheilung , die so viele andere des Mangels der BeurtheilungS - kraft beschuldiget , nichts saget , als was ihn des Mangels derselben über - führet ; allein ich will nur bey demjenigen stehen bleiben , was den sius betritt . Sein Splitterrichter nennet ihn Drusus , und machet ihn zum reformirten Prediger : er hat also den Namen und die Proseßion desjenigen nicht einmal gewußt , den er sich zu tadeln vorgenommen ; denn Drusius ist kein Prediger gewesen , und wir haben in der kung ( k ) seine Erklärung gesehen , daß er sich mit nichts , als der Spraä> - kunst und der Historie , vermengt , und andern die Glaubenslehren über« lassen habe , und daß er kein Gottesgelahrter gewesen . Baillet erzählet in IV Bande auf der 116 S . Jugem . des Savans , er sey von seinem eignen Verdienste so überzeugt gewesen , daß er sich den Titel de» göttlichen Spracklebrers gegeben habe . Ich habe dieses bey der ersten Ausgabe dieses Wörterbuchs in der Anmerkung l K ) auf den Rand gesetzt , und darzu gefügt , daß ick gern wissen möckte , woher er die , ses genommen . Der Herr de la Roque ( von dem oben in dem Arti - kel Colomies . ) hat die Gütigkeit gehabt , mir zu schreiben , daß er es in dem Trihaerefium des SerrariuS gelesen . Weil ich dieses Buch nicht habe , so nehme ich meine Zuflucht zu Muthmaßungen : ich bilde mir ein , daß SerrariuS dieses auf das Wort eines Widersachers des Dru - sius vorgegeben , und ohne daß er den buchstäblichen Beweis aus beti Schriften dieses Urhebers gezogen hat . Dem sey , wie ihm wolle , so ha - ben wir in der Anmerkung ( K ) vermittelst einer aus seinem Tetragam . niaton angeführten Stelle gesehen , wie sich Drusius öffentlich erkläret , daß er nicht wisse , ob er den Titel eines Sprachlehrers behaupten könne , den man ihni manchmal vorgeworfen , und daß es Leute gegeben , die ge - saget , daß er solches nicht könnte ; welchen er nicht zu widersprechen ver - lange . Dieß ist eine Besä>eidenheit , die sehr von dem vom Baillet er - zählten Hochmuthe entfernet ist . Allein wir wollen wieder zum P . Ga« raffe zurück kommen und sagen , daß seine Beurtheilung nichts tauger . Es kann seyn , daß man in einem Capitel des Drusius die Anführung eines geistlichen Scribenten sieht , vor welcher die Anführung eines welt - lichen Schriftstellers hergeht und nachfolget , aber nicht in der lächer - lichen Ordnung , darüber sich dieser Jesuit beklagt . Die Lehrart des Drusius ist , sehr kurz zu seyn , und die Materien zu verbinden , welche eine Verwandtschaft unter einander haben . Daher kömmt es , daß ev in einem sehr kurzen Capitel manchmal drey bis vier Dinge erklaret : er zeiget bey jedem die Gleichförmigkeit der geistlichen und heidnischen Schriftsteller ; er muß also , nachdem er die Stellen der heil . Schrift an - geführt , die griechischen oder lateinischen Scribenten auch anführen , nnd wenn er eine andere Materie vornimmt , nochmals die Stellen der heil . Schrift und dann einen Poeten , einen Geschichtschreiber , u . d . m . auzie - hen . Diese Aufführung hat nichts böses an sich , und ist von dem Tadler unverständiger und ungeschickter weise verschrieen worden .
Drusus , eine römische Familie , ein Ast von der Familie der Livier . Die Familie flivia , oder der Livier , ob sie gleich plebejisch gewesen , hat Theil an den schönsten Bedienungen der Republik gehabt . Sie hat die Dictatur , und das Heerführer - amt der Neuterey genossen . Sie hat das Consulac dreymal , die Censorwürde zweymal besessen , und dreymal die Ehre des Triumphs gehabt . Sie hat Personen von großen Verdiensten hervorgebracht , und unter andern den Marcus Livius Sali - nator , und den Marcus Livius Drusus . Dieser ward Drusus zuaenahmt , weil er den Draufus ( A ) , den Feldherrn der Feinde erlegt hatte Man eignet ihm zu , daß er den Galliern das Geld abgenommen , welches ihren Vorfahren ehmals ge - geben worden , da sie das Eapitol belagert . Wenn dieses ist , so darf man dem herumgegangenen Gerüchte nicht glauben , daß . . . . . . . . , u ^e ( ) m ^ Man kann nicht besser erkennen , zu welcher Zeit dieser erste DrusuS
sie Camilluö gezwungen gehabt , dasselbe wieder
dem Scipio Africanus , dem
gelebt hat , als wenn man sich erinnert , daß Eajuo livius Drusus , seinSohm oder sein Enkel , mit lungern , im 606 Jahre der Stadt Rom Bürgermeister gewesen . Der Kaiser Tiberius ist durch Kindesannehmung von der Familie der Druser abgestammt ; denn Livius Drusus Claudianuo , fein mütterlicher Großvater , einer von de6 blinden Äppius Nachkommen , ist von einem Drusus an Kindes statt angenommen worden f . Es ist einigermaßen wahrscheinlich , daß ein anderer Drusus jemanden von der Familie der Scribonier an Kindes statt angenommen hat , in welcher der Zuname £ibo sehr gemein gewesen ; denn wir finden einen Marcus Livius Drusus £ibo , Consul im 738 Jahre , und einen Lucius Gcribonius Libo Drusus , Prator , der sich selbst entleibet , um der gefürchteten Todesstrafe zuvor zukommen ; da er sich ter dein Tiberius im 769 Jahre Roms , weaen eines Staatsverbrechens angeklagt sah d . Wir wollen ein Wort von einigen Nachkommen des ersten DrusuS in den Anmerkungen sagen ( B ) ; allein wir werden von jedem unter denen , welche die meiste Figur gemacht , einen absonderlichen Artikel machen . Moreri verdienet in einem Stücke getadelt zu werden ( 0 ) .
a ) Sucton . in Tiberio , cap . III . b ) Traditur etiam pro praetore ex Prouincia Gallia retulifle aurum Senonibus olim , in ob - fidione Capitolii datum , nec , vc fama , extortum a Camillo . Eben das . c ) Ebendaselbst . d~ ) Tacit . Anna ! . Libr . II . cap . XXXI .
( A ) Marctls L . iv»us ward Drusus genennt , weil er den Drausus erlegt hatte . J Alles dieses hat das Ansehen von den Übeln und fabelhaften Erzählungen , die sich in den alten Familien erhalten ,
und welche den Ursprung des ersten Namens und Wapens einer ritter« mäßigen That zuschreiben . Wenn der Ast der Druser seinen Namen der vom Sueton erzählten Heldenchat schuldig ist , so würde man