Entstehung
und Auffassung von dem Weisen .
Lessings Nathan
Als Einführung in die Lektüre der Schüler . 1 )
Von dem Direktor der Anstalt Dr . Friedrich Kortz .
. War es sich Lessing bewußt , als er Nathan uns malte , den Juden , Daß er ihn nur aus dem Schatz christlicher Bildung erschuf ? *
Geibel .
I .
Bis in sein reiferes Mannesaltcr hinein hatte sich Lessing auf dem Gebiete der Kritik getummelt und durch die . Literaturbriefe " ( 1759 ) , den . Laokoon * ( 1766 ) und die . Hamburgische Dramaturgie " ( 1769 ) die Gesetze der Künste ergründet . Im engsten Zusammenhang mit dieser kritischen Tätigkeit schuf er seine dramatischen Meisterwerke . Auf die „ Uteraturbriefe " , in denen er vor allem verlangte , daß unsere Dichtung sich von dem Joche der Franzosen befreie und eine nationale werde , folgte das Muster einer deutschen Nationalkomödie in . Minna von Barnhelm " ( 1767 ) . Die dichterische Probe auf die Richtigkeit der großen kritischen Rechnung , die er in der . Hamburgischen Dramaturgie " mit dem Nachweis der spezifischen Aufgabe des Dramas und zumal der Tragödie aufgestellt , machte er in . Emilia Galotti " ( 1772 ) . In der letzten Periode seines Lebens aber waren es Interessen philosophischer und theologischer Art , die seine Feder in Anspruch nahmen und ihn in heftige Kämpfe mit seinen Gegnern verwickelten . Den Abschluß dieser Kampfe bildet wiederum ein Schauspiel , das heiter - ernste dramatische Gedicht . Nathan der Weise * ( 1779 ) , in welchem er der philosophisch - religiösen Bildung der deutschen Nation , insbesondere soweit sie auf dem Protestantismus beruht , ein bedeutungschwcrcs Vermächtnis hinterlassen hat .
Zu Lessings Zeit nämlich wurde diese Bildung beherrscht von den Ideen der Aufklärung oder des Rationalismus , die , seit dem Ausgang des 17 . Jahrhunderts unter dem Einfluß der aufblühenden schaften durch den Empirismus Lockes in England aufgekommen , in der ersten Hälfte des 18 . Jahrhunderts besonders durch Voltaire und die Encyklopädisten zunächst nach Frankreich und dann um die Mitte des hunderts auch nach Deutschland verpflanzt wurden und hier viele Anhänger und Freunde fanden . Weil die großen und bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen aus dem verstandesmäßigen Erkennen gegangen waren , wurde die Vernunft als die alleinige Quelle aller geistigen und sittlichen Kultur angesehen . Als berechtigt galt nur das , was vor ihrem Richterstuhle bestehen konnte . Daher wurde alle bisher durch lieferung gewonnene Erkenntnis der Kritik unterzogen und an die Stelle ihrer Autorität das vernünftige Denken gesetzt . Es war nur ein konsequentes Verfahren , wenn die Vernunft nun auch zur Richterin über den Offenbarungsglauben berufen und als einzige Norm der Religion angesehen wurde . Alle von einer höheren Autorität in bestimmt gefaßten Sätzen ( Dogmen ) vorgelegten Glaubenswahrheiten wurden als Uber oder gegen die Vernunft verstoßend bei Seite geschoben , und gegenüber den mit positivem Glauber . sinhalt erfüllten barten Religionen suchte man die Ansicht zu verfechten , daß das natürliche Gottesbewußtsein und Gewissen eine hinreichende und vollkommene Religion sei und jene , insbesondere auch das Christentum , nur insofern Wert hätten , als sie diese . natürliche Religion " , die von Anfang an dagewesen und von der die positiven Religionen doch nur historische Verzerrungen seien , als Kern enthielten oder sich mit ihr in Einklang bringen ließen . Dieser sog . Deismus hält zwar im Gegensatz zum Atheismus fest an dem allgemeinen Glauben an Gott und dessen Leitung der Welt , die , wenn auch kein übernatürliches Eingreifen , so doch die Quelle alles dessen ist , was geschieht , hält fest an dem Glauben an ein höchstes göttliches Wesen , dem der Mensch Verehrung schuldig ist und von dessen Güte und Gerechtigkeit er Lohn oder Strafe im Diesseits und im Jenseits zu erwarten hat , erklärt aber in einseitiger Weise das Sittengesetz für die Hauptsache und trachtet , indem er ohne ständnis für die tiefere Sehnsucht der menschlichen Seele , die in den Glaubensvorstellungen ihre Erfüllung
' ) Die Abhandlung bildet die Einleitung zu einer Schulausgabc von Lessings Nathan dem Weisen , die demnächst in der Aschendoiffschen Sammlung von Ausgaben tllr den deutschen Unterricht erscheinen wird .