ERSTER HAUPTTEIL .
Reinkes Philosophie .
I . Die Dominantenlehre .
1 . Begriffsentwicklungen .
Zunächst beschäftigen wir uns mit dem bei Reinke üblichen Kraftbegriff . Reinke faßt ihn weiter , als es der l'hysiker in der Mechanik tut . Hier ist Kraft die Ursache einer Bewegung ; Reinke dagegen geht auf den Sprachgebrauch zurück , der in Wörtern wie Wasserkraft , Schwerkraft , chemische Kraft , Muskelkraft , kraft , Kapitalkraft , geistige , sittliche Kraft usw . zum Ausdruck kommt . Demgemäß nennt er Kraft alles , »was wirkt , was ein Geschehen hervorbringt oder abändert " ( 1 , 143 ) . . Kraft ist das Wirkende in der Natur * , . alles , was aktuell und potentiell Änderungen im Bestehenden hervorruft * . * )
Dieser Begriff umfaßt auch den der Energie , die mechanische Arbeit leistet .
Auch der Organismus arbeitet , verbraucht Energie . In ihm . stehen zunächst die chemisch - kalischen Gesetze in Geltung * ( 1 , 154 ) . Diese aber erschöpfen nicht sein Wesen . Es . treten zu diesen spezifisch - biologische Gesetze hinzu . " Bei diesen gibt es allgemeine wie das Gesetz der Entwicklung und das Gesetz der Selbsterhaltung und eine . ungeheure Zahl " spezieller biologischer Gesetze . Denn da jedes biologische Geschehen ein Ausdruck . für eine geordnete Reihe von Vorgängen im Organismus * ist ( 1 , 153 ) , repräsentiert der Entwicklungsgang jeder Spezies ein Gesetz . Es verkörpert sich in der besonderen Form des Organismus und äußert sich in der Beherrschung der chemischen und physikalischen Kräfte in demselben , in einer nischen Verteilung der Arbeit .
Die . Systembedingungen " , wie Reinke die uns großenteils noch unbekannten , Maschinen baren Strukturen des Organismus nennt , äußern bei Energiezufuhr . Systemkräfte " , die die Energien lenken , wie es der Stoffwechsel oder das sonstige Geschehen im fertigen Organismus verlangt . Die . Dominanten * , die «Herrschenden " , wirken mittels der Systemkräfte auf die Energien . Sie regieren die Entwicklung und die bildungen im Organismus .
Anm . Früher nannte Reinke die jetzigen Dominanten „ Entwicklungsdominanten " , die Systemkräfte „ Arbeitsdominanten " ; . Systembedingung " statt Struktur , Konfiguration ist ebenfalls ein neuerer Name . Wir verwenden natürlich die jetzigen , von Reinke seit 1902 ( vgl . 4 , 507 ; 2 , 330 ; D ( Erster H . I , 4 . Abschn . ) gebrauchten Bezeichnungen , wofern uns nicht ein wörtliches Citat zwingt , „ Arbeits - " oder „ Entwicklungsdominanten zu sagen .
2 . Begründung der Dominantentheorie . a ) Vorbereitung : Maschinentheorie der Organismen .
Eine wichtige Rolle spielt in Reinkes Anschauungen die Analogie der Organismen mit den von Menschenhand verfertigten Maschinen . Da nach ihm alles Erklären auf Vergleichen beruht ( 2 , 324 ) , so führt er die in den Organismen den Verrichtungen der Maschine ähnlich erfolgenden Vorgänge auch auf eine . struktur " der Organismen zurück .
• ) Vgl . 1 , Kap . 16 ; 3 4 . A . 79 ; 33 , 594 ; 6 , 39 ; 2 , 327 führt Reinke Lotze , d'Alembert , Lagrange als Stützen seines Kraftbegriffs an ; 34 , 590 sieht er sich mit seinem Kraftbegriff in Uebereinstimmung mit Kant ; 6 , 37 beruft er sich auf Hume und Helmholtz . — Lotze schreibt aber 30 , XL , daß der Begriff der Kraft . nur in dem speziellen Falle der Wirkung zwischen Stoff und Stoff Bedeutung gewinnt . "