Full text: Der Dichter und die Welt

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Ihre Schwester müssen Sie diesen Brief lesen lassen, 
and ich lege ein Bukett meiner besten Grüße zwischen diese 
Blätter; von denen soll sie ihrem Mann und den Söhnen 
auch einige bringen! 
Erfreuen Sie mich bald mit einigen Worten; lassen 
Sie mich wissen, wie Sie und die Ihren leben; lassen Sie 
mich, wenn Sie können, gute Neuigkeiten hören; unter „gut“ 
verstehe ich besonders das „Kriegsende“. 
Sehen Sie, dies ist nun ein langer Brief ohne viel 
Inhalt; aber ich liege ja still und höre das Gras und meinen 
Roman wachsen. Ich habe in diesen Tagen „Das Gefängnis 
in Edinburg‘“ gelesen, den ersten Roman, den ich seinerzeit 
gelesen habe; das ist ungefähr fünfundzwanzig Jahre her; 
damals machte er einen unvergleichlichen Eindruck auf mich. 
Wie ganz anders habe ich ihn jetzt in mich aufgenommen! 
Früher ging er durchs Gefühl in meine Gedanken, jetzt 
dagegen durch den Verstand; der Schauplatz in Edinburgh 
und bei Dumbarton ist mir jetzt bekanntes Gebiet; daher 
stehe ich auf festerem Grunde, und das ganze Bild gewinnt 
eine Frische ähnlich der, mit der meine Phantasie es vor 
fünfundzwanzig Jahren belebte. Nun nehme ich mir den 
„Red Robin“ vor, dessen Schauplatz am Loch-Lomond mir 
ebenfalls von der Reise im vorigen Sommer bekannt ist. Ich 
glaube aber, daß das Lob, das man Walter Scott für seine 
klare Schilderung des Ortes so unbedingt gespendet hat, 
Joch etwas bedingt ist; er ist ein wenig breit und gibt nicht die 
schlagenden Einzelheiten, durch die man die Natur auf dem 
Papier malen kann; darin kann man ihn erreichen, aber in 
bezug auf die Charakterisierung, auf die Erfassung von Zeit 
und Geschichte, ja, da muß man mehr als den Hut abnehmen. 
Tausend Grüße! 
Ihr brüderlich ergebener 
Hans Christian Andersen 
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