Full text: Sämmtliche Märchen

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er. Und aus dem weißen Lilienblatte blinzelte die Prinzessin hervor und 
fragte, wer da wäre. Da weinte die kleine Gerda und erzählte ihre 
ganze Geschichte und Alles, was die Krähen für sie gethan hatten. 
„Du armes Kind!“ sagte der Prinz und die Prinzessin; und sie 
sobten die Krähen und sagten, daß sie nicht böse auf sie seien; aber 
sie sollten es ja nicht öfter thun. Uebrigens sollten sie eine Belohnung 
erhalten. 
„Wollt Ihr frei fliegen?“ sagte die Prinzessin. „Oder wollt Ihr 
feste Anstellung als Hofkrähen haben, mit Allem, was in der Küche 
abfällt?“ 
Und beide Krähen verneigten sich und baten um feste Anstellung, 
denn sie gedachten des Alters und sagten: „Es wäre schön, etwas für 
die alten Tage zu haben,“ wie sie es nannten. 
Und der Prinz stand aus seinem Bette auf und ließ Gerda darin 
schlafen, mehr konnte er nicht thun. Sie faltete ihre kleinen Hände 
und dachte: „Wie gut sind nicht die Menschen und die Thiere!“ — 
Dann schloß sie ihre Augen und schlief sanft. Alle Träume kamen 
wieder herein geflogen, sie sahen wie Engel Gottes aus und zogen 
einen kleinen Schlitten, auf welchem Kay saß und nickte; aber das 
Ganze war nur ein Traum, und deshalb war es auch wieder fort, so— 
bald sie erwachte. 
Am folgenden Tage wurde sie vom Kopfe bis zum Fuße in Seide 
und Sammt gekleidet; es wurde ihr angeboten, auf dem Schlosse zu 
bleiben und gute Tage zu genießen; aber sie bat nur um einen kleinen 
Wagen mit einem Pferde und um ein Paar Stiefelchen; dann wollte 
sie wieder in die weite Welt hinausfahren und Kay suchen. 
Und sie erhielt sowohl Stiefelchen als Muff; sie wurde niedlich ge— 
kleidet; als sie fort wollte, hielt vor der Thüre eine neue Kutsche aus 
reinem Golde; des Prinzen und der Prinzessin Wappen glänzte an der— 
selben wie ein Stern; Kutscher, Diener und Vorreiter, — denn es waren 
auch Vorreiter da, — saßen mit Goldkronen auf dem Kopfe zu Pferde. Der 
Prinz und die Prinzessin halfen ihr selbst in den Wagen und wünschten 
ihr alles Glück. Die Waldkrähe, welche nun verheirathet war, begleitete 
sie die ersten drei Meilen; sie saß ihr zur Seite, denn sie konnte nicht 
vertragen, rückwärts zu fahren; die andere Krähe stand in der Thüre 
und schlug mit den Flügeln; sie kam nicht mit, denn sie litt an Kopf— 
schmerzen, seitdem sie eine feste Anstellung und zu viel zu essen erhalten 
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