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sie drohten, die Wache kam, ja selbst der König trat heraus
und fragte was das bedeute; da ging zugleich die Sonne
auf, und da waren keine Brüder zu sehen, aber über das
Schloß flogen elf wilde Schwäne hin.
Aus dem Stadtthore strömte das ganze Volk, es wollte
die Here verbrennen sehen. Ein alter Gaul zog den Karren,
auf dem sie saß; man hatte ihr einen Kittel von groben
Sackleinen angethan, ihr herrliches Haar hing lose um das
jchöne Haupt, ihre Wangen waren todtenbleich, ihre Lippen
bewegten sich leise, während die Finger den grünen Flachs
flochten; selbst auf dem Wege zu ihrem Tode unterbrach fie
die angefangene Arbeit nicht, die zehn Panzerhemden lagen
zu ihren Fuͤßen, an dem elften strickte sie Der Pðöbel ver⸗
höhnte sie:
„Sieh, die Here, wie sie murmelt! Kein Gesangbuch
hat sie in der Hand, nein, mit ihrer häßlichen Gautelei
sitzt sie da. Reißt sie ihr in tausend Stücken“
Und sie drängten alle auf sie ein und wollten die Pan⸗
zerhemden zerreißen; da kamen elf weiße Schwäne geflogen,
die setzten sich rings um sie auf den Karren und schlugen
mit ihren großen Schwingen. Da wich der Haufen erschrocken
zur Seite.
„Das ist ein Zeichen des Himmels! Sie ist sicher un—
schuldig!“ stüsterten Viele, aber sie waaten nicht es laut zu
sagen.
Nun ergriff der Büttel sie bei der Hand, da warf sie
hastig die elf Panzerhemden über die Schwäne und alsbald
standen elf schöne Prinzen da; aber der jüngste hatte einen
Schwanenflügel anstatt des einen Armes, denn es fehlte ein
Aermel in seinem Vanzerhemde, den hatte sie nicht fertig
bekommen.
„Nun darf ich sprechen!“ sagte sie, „ich bin unschuldig.“
Und das Volk, welches sah, was da geschehen war,
neigte sich vor ihr, wie vor einer Heiligen; aber sie sank
leblos in der Brüder Arme, so hatten die Spannung, Angst,
und Schmerz auf sie gewirkt.
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