Full text: Andersens Märchen

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ändert klar und groß wie Jahrtausende hindurch, die Cuft leuchtete 
in Rot, frisch wie Rosen, purpurn wie Blut 
Dort, wo einst eine enge Gasse mit Überresten eines Tempels 
gewesen, lag jetzt ein Nonnenkloster; in dem Garten des Klosters 
wurde ein Grab gegraben, eine junge Nonne war gestorben und 
sollte an diesem Morgen in die Erde gebettet werden. Der Spaten 
stieß gegen einen Stein an, der Stein leuchtete blendend weiß, der 
Marmor kam zum Vorschein, er rundete sich zu einer Schulter, die 
allmählich ganz hervortrat; der Spaten wurde nun vorsichtiger ge⸗ 
führt; ein weiblicher Kopf kam zu Tage, — Schmetterlingsflügel. 
Aus dem Grabe, in welches die junge Nonne gelegt werden sollte, 
hob man an dem rosenroten, flammenden Morgen eine wunderherrliche 
Psychegestalt, gemeißelt in weißen Marmor, herauf. „Wie schön, wie 
vollendet ist sie, ein Kunstwerk aus der besten Zeit!“ sagte man. Wer 
mochte der Meister sein? Niemand wußte es, niemand kannte ihn 
als der helle, durch Jahrtausende leuchtende Stern; der kannte den 
Gang seines Erdenlebens, seine Prüfung, seine Schwäche, wußte, daß 
er eben nur ein Mensch gewesen! — Allein dieser war tot, verweht, 
wie der Staub es muß und soll; doch die Ausbeute seines besten 
Strebens, das Herrlichste, welches das Göttliche in ihm bekundete 
die Psyche, die niemals stirbt, die den Nachruhm überstrahlt, der 
Glanz dieser Psyche hier auf Erden wurde gesehen, wurde erkannt 
und bewundert. 
Der klare Morgenstern in der rosenfarbenen Cuft sandte seinen 
blitzenden Strahl hernieder auf die Psyche und auf die in Glückselig⸗ 
keit lächelnden Lippen und Augen der Bewunderer, welche die Seele 
sahen, gemeißelt aus dem Marmorblocke. 
Was irdisch ist, verweht, wird vergessen, nur der Stern im Un— 
endlichen weiß davon. Was bhimmlisch ist, strahlt selbst im Nachruhme, 
und wenn der Nachruhm erlischt — lebt noch die Psyche.
	        
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