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Früh am nächsten Morgen packte Johannes sein kleines Bündel
zusammen und verwahrte in seinem Gürtel sein ganzes Erbteil, welches
fünfzig Thaler und ein paar Silberschillinge betrug; damit wollte er
in die Welt hinaus wandern. Aber zuerst ging er nach dem Kirch—
hofe zu seines Vaters Grabe, betete ein Vater-Unser und sagte:
„Lebe wohl!“
Draußen auf dem FSelde, wo er ging, standen alle Blumen frisch
und schön in dem warmen Sonnenscheine; sie nickten im Winde, als
wollten sie sagen: „Willkommen im Grünenl Ist es hier nicht schön?“
Aber Johannes wendete sich noch einmal zurück, um die alte Rirche
zu betrachten, in der er als kleines Kind getauft worden, und wo er
jeden Sonntag mit seinem Vater zum Gottesdienst gewesen war und
seinen Psalm gesungen hatte; da sah er hoch oben in einer der Off—
nungen des Turms den Kirchenkobold in seiner kleinen, roten, spitzen
Mütze stehen, wie er sein Gesicht mit dem gebogenen Arme beschattete,
da ihm sonst die Sonne in die Augen schien. Johannes nickte ihm
Cebewohl zu, und der kleine Kobold schwenkte seine rote Mütze, legte
die Hand auf das Herz und warf ihm viele Kußhändchen zu, um zu
zeigen, wie gut er es mit ihm meine, und daß er ihm eine recht glück—
liche Reise wünsche.
Johannes dachte daran, wie viel Schönes er nun in der großen,
prächtigen Welt zu sehen bekommen würde, und ging weiter und weiter
fort, so weit wie er früher nie gewesen war. Er kannte die Orte
nicht, durch die er kam, oder die Menschen, denen er begegnete. —
Nun war er weit draußen in der Fremde.
Die erste Nacht mußte er sich auf einem Heuschober auf dem
Felde schlafen legen; ein anderes Bett hatte er nicht. Aber das war
recht hübsch, meinte er; der König könne es nicht besser haben. Das
ganze Feld mit dem Bache, der Heuschober und dann der blaue Himmel
darüber: das war gewiß eine schöne Schlafkammer! Das grüne Gras
mit den kleinen, roten und weißen Blumen war die Fußdecke; die
Fliederbüsche und die wilden Rosenhecken waren Blumensträuße; und
zum Waschbecken diente ihm der ganze Bach mit dem klaren, frischen
Wasser, wo das Schilf sich neigte und ihm guten Abend und guten
Morgen bot. Der Mond war wahrhaft eine große Nachtlhampe, hoch
oben unter der blauen Decke; und der zündete die Gardinen nicht an