Full text: Andersens Märchen

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In einem Winkel, von zwei Häusern gebildet, von denen das 
eine etwas mehr vorsprang als das andere, setzte sie sich hin und 
kauerte sich zusammen. Die kleinen Füße hatte sie an sich gezogen; 
aber es fror sie noch mehr, und nach Hause zu gehen wagte sie nicht; 
sie hatte ja keine Schwefelhölzchen verkauft und brachte keinen Pfennig 
Geld mit. Von ihrem Vater würde sie gewiß Schläge bekommen, 
und zu Hause war es auch kalt; über sich hatten sie nur das Dach, 
durch welches der Wind pfiff, wenn auch die größten Spalten mit 
Stroh und Cumpen zugestopft waren. 
Ihre kleinen Hände waren beinahe vor Rälte erstarrt. Ach! 
ein Schwefelhölzchen konnte ihr gar wohl thun, wenn sie nur ein 
einziges aus dem Bunde herausziehen, es an die Wand streichen und 
sich die Finger erwärmen dürfte. Sie zog eins heraus. Rrscht! wie 
sprühte, wie brannte es! Es war eine warme, helle Flamme, wie ein 
Cichtchen, als sie die Hände darüber hielt; es war ein wunderbares 
Cichtchen! Es schien wirklich dem kleinen Mädchen, als säße sie vor 
einem großen, eisernen Ofen mit polierten Messingfüßen und einem 
messingenen Aufsatze. Wie brannte das Feuer darin, wie wohlthuend 
wärmte es! Die Rleine streckte schon die Füße aus, um auch diese 
zu wärmen: — doch — da erlosch das Flämmchen, der Ofen ver— 
schwand, sie hatte nur die kleinen Überreste des abgebrannten Schwefel⸗ 
hölzchens in der Hand. 
Ein zweites wurde an der Wand gestrichen; es leuchtete, und wo 
der Schein auf die Mauer fiel, wurde diese durchsichtig wie ein Schleier: 
sie konnte in das Simmer hineinsehen. Auf dem Tische war ein weißes 
Tischtuch ausgebreitet, darauf stand glänzendes Porzellangeschirr, und 
herrlich dampfte die gebratene Gans, mit Apfeln und getrockneten 
Pflaumen gefüllt. Und was noch prächtiger anzusehen war, die Gans 
hüpfte von der Schüssel herunter und wackelte auf dem Fußboden, 
Messer und Gabel in der Brust, bis zu dem armen Mädchen hin. 
Da erlosch das Schwefelhölzchen, und es blieb nur die dicke, feucht— 
kalte Mauer zurück. Sie zündete noch ein Hölzchen an. Da saß sie 
nun unter dem herrlichen Christbaume; er war noch größer und ge⸗ 
putzter als der, den sie durch die Glasthür bei dem reichen Kauf⸗ 
manne gesehen hatte. Tausende von Cichtern brannten auf den grünen 
Zweigen, und bunte Bilder. wie sie an Schaufenstern zu sehen waren,
	        
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