Full text: Andersens Märchen

1534 
„Pfui Teufel!“ sagte der Knecht, der den Eimer ausgoß und 
die Kröte erblickte. „So was Häßliches habe ich lange nicht gesehen!“ 
Und mit seinem holzbeschuhten Fuße stieß er nach der Kröte, die bei— 
nahe verstümmelt worden wäre, sich aber doch in die hohen Nesseln 
hinein rettete, die am Brunnen standen. Hier sah sie Stiel an Stiel 
stehen, sie schaute aber auch aufwärts. Die Somne schien auf die 
Blätter, die ganz durchschimmernd waren; ihr war zu Mute wie uns 
Menschen, wenn wir plötzlich in einen großen Wald treten, wo die 
Sonne zwischen Zweige und Blätter hinein scheint. 
„Hier ist es viel schöner, wie unten im Brunnen! Hier möchte 
man sein Leben lang bleiben!“ sagte die kleine Kröte. Sie blieb des— 
halb eine Stunde, ja zwei Stunden liegen. „Was wohl draußen sein 
mag? Bin ich so weit gekommen, muß ich auch versuchen, weiter zu 
kommen!“ Sie kroch so schnell als sie kriechen konnte, und gelangte 
auf die Landstraße hinaus, wo die Sonne sie beschien und wo der 
Staub sie puderte, als sie quer über die Straße marschierte. 
„Hier ist man richtig aufs Trockene gelangt!“ sagte die Kröte, 
„es ist beinahe zu viel des Guten, es kribbelt in mir!“ 
Sie erreichte den Graben; hier wuchsen Vergißmeinnicht und 
Spiräen, ganz in der Nähe war eine Hecke von Weißdorn, und auch 
Holunder wuchs da und Schlingpflanzen mit weißen Blüten; auch ein 
Schmetterling flog da umher; die Kröte meinte, es sei eine Blume, 
die sich losgerissen habe, damit sie sich besser in der Welt umschauen 
könne, das wäre ja ganz natürlich. 
„Wenn man solche Fahrt machen könnte wie diel“ sagte die Kröte. 
„Quak! Achl welche Herrlichkeit!“ 
Sie blieb acht Nächte und Tage am Graben und hatte keinen 
Mangel an Eßbarem. Am neunten Tage dachte sie: „vorwärts, weiter!“ 
— Aber was könnte sie Herrlicheres und Schöneres finden? Vielleicht 
eine kleine Kröte oder einige grüne Frösche. Es hatte die letzte Nacht 
gerade so im Winde gelautet, als seien Dettern in der Nähe. 
„Es ist herrlich zu leben! Herrlich aus dem Brunnen heraus zu 
kommen, in Brennesseln zu liegen, auf dem staubigen Wege zu kriechen! 
Aber weiter, vorwärts, um Frösche oder eine kleine Kröte zu finden; 
das ist nicht gut zu entbehren, die Natur ist einem nicht genugl!“ 
Damit ging sie wieder auf die Wanderung.
	        
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