Die Blumen der kleinen Ida. 213
andern wieder und da fliegen sie fort; kommt dann der Professor
in den Garten hinaus, so ist nicht eine einzige Blume da, und er
kann gar nicht begreifen, wo sie geblieben sind.“
„Aber wie kann es denn die eine Blume den andern erzählen?
Die Blumen können ja nicht sprechen!“
„Das können sie freilich nicht,“ erwiederte der Student, „aber
dann machen sie Pantomimen. Hast Du nicht oft gesehen, daß die
Blumen, wenn es ein wenig weht, sich zunicken und alle ihre grünen
Blätter bewegen? Das ist eben so deutlich, als ob wir sprächen.“
„Kann der Professor denn die Pantomimen verstehen?“ frug Ida.
„Ja, sicherlich. Er kam eines Morgens in seinen Garten und
jah eine große Brennnessel stehen und mit ihren Blättern einer
schönen rothen Nelke Pantomimen machen. Sie sagte: „„Du bist
so niedlich und ich bin Dir so gut!““ Aber dergleichen kann der
Professor nicht leiden, und er schlug sogleich der Brennnessel auf die
Blätter, denn das sind ihre Finger; aber da brannte er sich, und
eit der Zeit wagt er es nicht, eine Brennnessel anzurühren.“
„Das ist lustig!“ sagte die kleine Ida und lachte.
„Wie kann man einem Kinde so etwas in den Kopf setzen!“ sagte
der langweilige Kanzleirath, welcher zum Besuch gekommen war
und auf dem Sopha saß. Er konnte den Studenten gar nicht leiden
und brummte immer, wenn er ihn die possierlichen, muntern Bilder
ausschneiden sah: bald war es ein Mann, der an einem Galgen hing
und ein Herz in der Hand hielt, denn er war ein Herzensdieb;
bald eine alte Hexe, welche auf einem Besen ritt und ihren Mann
auf der Nase hatte. Das konnte der Kanzleirath nicht leiden, und
dann sagte er, gerade wie jetzt: „Wie kann man einem Kinde so
ztwas in den Kopf setzen! Das ist die dumme Phantasie!“
Aber der kleinen Ida schien es doch recht drollig zu sein, was der
Student von ihren Blumen erzählte, und sie dachte viel daran. Die
Blumen hingen die Köpfe, denn sie waren müde, da sie die ganze