Full text: Entwicklungsgang und Grundprobleme der Philosophie Rasmus Nielsens

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N. stellt zunächst die Hauptgedanken der Kantischen Vernunft⸗ 
kritik dar. Wir heben nur folgendes heraus. Die menschliche Subjek⸗ 
tivität bringt nach Kant zur Auffassung der Dinge die Anschauungs⸗ 
formen von Raum und Zeit und die Kategorien oder Verknüpfungs⸗ 
formen hinzu. Kant will damit keineswegs sagen, daß die menschliche 
Subjektivität durch ihre Objektivierung die Dinge selbst hervorbringt 
oder daß alles Wirkliche nur subjektive Bedeutung hat, wie Berkeley 
meinte, oder endlich, daß wir wegen der Ohnmacht der menschlichen 
Subjektivität auf alle Erkenntnis verzichten müssen (Skeptizismus Hume8). 
Die objektivierende Subjektivität bei Kant ist menschlich, und er ist ein 
viel zu klarer Denker, als daß er nicht die Schwäche und Begrenztheit 
des menschlichen Begreifens eingesehen hätte. Wir erkennen nach ihm 
die Dinge nicht durch und durch. Ein dunkler Rest bleibt zurück: 
Das Ding an sich. Während die Anschauungs- und Ver— 
knüpfungsformen rein subjektiv sind, ist das Ding an sich rein objektiv, 
ganz unabhängig von allem Subjektiven. So meint Kant den 
Spiritualismus und Skeptizismus zu überwinden. — Wir fassen das 
Materielle nach Kant durch sinnliche Wahrnehmung (Sandsning) auf. 
Das sinnlich Wahrgenommene wird verarbeitet durchs Denken, durch 
die subjektive Tätigkeit des Menschen. „Erfahrung ist bedingt von 
sinnlicher Wahrnehmung und Denken“, pg. 5. Sie ist aus zwei Teilen 
zusammengesetzt, einem subjektiven und einem objektiven, beschränkt sich 
aber nur auf die Erscheinungen. Bezeichnen wir das Subjektive mit V, 
das Objektive mit X und die Erscheinung, die durch das Wirken von 
V und RXentstanden ist, mit P.,, so ist die Formel für die Kantische 
Erkenntnistheorie xX -V P.y. 
N. übt nun an Kants Erkenntnislehre Kritik. Dabei müssen 
wir im Auge behalten, daß er von Hegel ausgegangen war und sich 
von ihm entfernt hatte, weil dieser das Subjektive nicht zu seinem 
Recht kommen ließ: Nicht ein Subjekt oder eine Subjektivität denkt 
den Begriff, sondern der Begriff denkt nach Hegel sich selbst. Bei 
Kant schätzt N. begreiflicherweise am meisten, daß er subjektiv und 
objektiv scharf auseinanderhält. N. lobt ferner an Kant, daß nach ihm 
Erscheinungen nur durch Objektivierung von seiten eines Subjekts ent⸗ 
stehen. Das Subjekt ist die übergreifende Einheit. Mit dem Ding 
an sich dagegen ist N. durchaus nicht einverstanden. Hier setzt seine 
Kritik ein, und er legt Kant die Frage vor: „Wie kann das, was 
unsere Erkenntnisformen mit wirklichem Inhalt erfüllt, so ab—
	        
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