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Gesetze für unsere Vernunft sind zugleich Weltgesetze. Das Hauptgesetz
ist aber das Gesetz der Dialektik: Der Gedanke bewegt sich immer
durch Gegensätze. Die subjektive Logik irrt, wenn sie meint, daß der
Widerspruch die Gedankenbewegung hindere; sie übersieht, daß er ge⸗
rade die Voraussetzung für jeden Gedankenfortschritt bildet. — Ein
Bild möge wieder das Dargelegte erläutern: Das Dasein ist ein Buch,
in dem Gedanken sind, ganz unabhängig davon, ob wir sie lesen oder
nicht. Sie sind darin ohne Zutun einer Subjektivität, sie sind eben
objektiv.
N. erklärt beide Arten von Logik für einseitig. Es ist sowohl
undialektisch, Denken und Sein absolut zu trennen, als auch, sie zu
identifizieren. Denken und Sein sind Gegensatzeinheiten; sie sind so—
wohl dasselbe als auch nicht dasselbe. Die subjektive wie die objektive
Logik vertreten jedoch Wahrheitsmomente: Mit der subjektiven Logik
stimmt N. darin überein, daß es immer Sache der Subjektivität ist,
Ordnung und Zusammenhang in die Dinge zu bringen. Die objektive
Logik hat darin Recht, daß Vernunft im Dasein unabhängig von
unserer menschlichen Subjektivität ist. Es ist eben Vernunft im
Dasein, weil das Dasein ursprünglich von einer unendlichen Subjek—
tivität gesetzt ist, die ihre Gedanken in ihm verwirklicht hat. Ohne
diese Annahme kann man nicht an der Möglichkeit der Erkenntnis fest
halten. — N.s Meinung wird geklärt durch ein Bild, das den beiden
eben erwähnten entspricht)): Wir lesen Gedanken aus dem Buch des
Daseins, weil Gedanken im Buche sind. Sie sind nämlich vom Ver—
fasser in das Buch hineingelegt worden. Wir aber verstehen die Ge⸗
danken nur so weit, als wir sie selbst wieder hervorbringen können.
— So ist unser menschliches Begreifen ein schattenhafter Reflex des
Begreifens der unendlichen Subjektivität, die ihren Gedanken Wirk⸗
lichkeit zu geben vermnag. Während das Wissen der unendlichen Sub⸗
jektivität ein Wissen in Macht ist, ist unser Wissen nur so weit voll⸗
kommen, als wir den Inhalt des Wissens hervorbringen können.
Damit stellt sich N. auf den Standpunkt des Theismus; denn
die unendliche Subjektivität, die ein Wissen in Macht besitzt, ist Gott,
und N. sagt selbst, daß seine Logik einen „ausgeprägten, unzweideutigen
Theismus“ („Logik der Gr.“ II pg. VIIIf.) verirete. Man kbnute
Die drei Bilder sind genommen aus P. A. Rosenberg, R. N. pg. 17
und 84 ff. Man vergleiche auch zum folgenden den Abschnitt aus Rosenbergs
Buch über die „Logik der Grundideen“. pg. 82 ff.