Full text: Entwicklungsgang und Grundprobleme der Philosophie Rasmus Nielsens

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Endlich waren Martensen wie auch die mittelalterlichen Theologen 
mit der Behauptung aufgetreten, die T heologie sei Königin unter den 
Wissenschaften. Und ihr muß man am ehesten eine Ausnahmestellung 
zugestehen, denn sie beschäftigt sich mit dem Höchsten, was der Mensch 
kennt. Sie kann absolut richtige Aussagen über Gott und die trans— 
zendenten Dinge machen, weil sie ihr durch die Offenbarung gegeben 
sind. Von vorne herein hat sie das in vollem Besitz, wonach die andern 
Wissenschaften streben und sich sehnen, ohne es jemals voll zu erreichen: 
nämlich die einheitliche Auffassiung der Welt aus einem Prinzip. 
Wäre die Theologie eine Wissenschaft, so wäre sie die Zentralwissen⸗ 
schaft. Wir haben aber soeben gesehen, daß sie überhaupt keine 
Wissenschaft ist. 
Also hat keine Wissenschaft einen Vorrang vor einer andern, und 
dennoch nimmt die Philosophie eine besondere Stellung ein. Das hat 
der Kantianismus übersehen. N. läßt in der Philos. Prop. pg. 85f 
einen Kantianer Apelt, nach seinem Buch „Die Theorie der Induktion“ 
zu Worte kommen. Hier wird jeder Wissenschaft schematisch ihr Gebiet 
abgesteckt. Es gibt empirische, mathematische und philosophische Wissen⸗ 
schaften, streng von einander geschieden. Die Erkenntnig in den empi⸗ 
rischen Wissenschaften ist zufällig und anschaulich, in den mathematischen 
anschaulich und notwendig, in den philosophischen notwendig aber nicht. 
anschaulich. „Die abgrenzende Kritik will die Philosophie auf eine 
eigene Rubrik einschränken und meint im ganzen durch Schemata und 
Rubriken zu helfen.“ Kant hat Hegel gegenüber darin Recht, daß er 
die Selbständigkeit der Einzelwissenschaften betont. Aber er kommt 
nicht zu einer Gesamtauffassung wie Hegel und Martensen. 
Diese Gesamtauffassung zu geben, ist die Aufgabe der 
Philosophie. Doch kann sie nicht die Objekte hervorbringen, wie 
Degel meint, sondern sie sind ihr gegeben durch die Erfahrung und 
zwar in den Fachwissenschaften. Die Philosophie greift die Resultate 
der Fachwissenschaften auf und sucht sie in dialektische Strömung zu 
bringen und so die Einheit der Fachwissenschaften darzustellen. 
Sie ist darum die „Wissenschaft der Wissenschaften“. Aber man wird 
einwenden: Hat die Philosophie nicht dennoch einen Vorrang? Ist 
nicht doch Gefahr vorhanden, daß sie, um eine Einheit zu finden, die 
Tatsachen, mit denen sie nicht fertig werden kann, als nebensächlich 
beiseite schiebt? N. antwortet darauf, daß die Philosophie freilich 
den ihr von den Wissenschaften gegebenen Stoff „kritisch“ aufnehmen 
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