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unterschied zwischen dem Heiligen nnd dem Profanen, dem Evangelischen
und dem Mythologischen sein; aber wenn die Wissenschaft nun einmal
dieses Heilige nicht beurteilen, dieses Evangelische nicht bewältigen
kann, ist der Unterschied in den Augen der Wissenschaft, als wenn er
gar nicht vorhanden wäre. — Da die Glaubenssätze jeder für sich
unbedingt subjektiv sind, sind sie in der Wissenschaft ebenso willkürlich
wie die abenteuerlichsten Phantasien. Gibt es also eine wissenschaft⸗
liche Begründung der Glaubenslehren, so gibt es auch eine wissen⸗
schaftliche Begründung der Mythenlehren, eine wissenschaftliche Be⸗
gründung des Nonsens.“
In anderem Zusammenhang endlich ein letzter Einwurf: Nun
behandelt aber die Wissenschaft alle Dinge und Erscheinungen im
Dasein. Der Arzt behandelt die Schwachsinnigen, der Historiker die
Mythen. Also muß auch die Wissenschaft alles, was im Dasein ist,
umfassen. Die Religion und Theologie gehört mit zu den Erscheinungen
im Geistesleben und muß darum auch Gegenstand wissenschaftlicher
Behandlung, die Theologie selbst eine Wissenschaft sein.
Hierauf antwortet N. etwa folgendermaßen: In dem Einwurf
liegt ein Wahrheitsmoment. Denn gewiß, die Wissenschaft hat auch
die Religion und die religiösen Erscheinungen zu behandeln, ebenso
wie die Mythen und Irrsinnigen Gegenstand wissenschaftlicher Be⸗
handlung sind. — Aber die Wissenschaft zeigt da eben, daß diese Zu⸗
stände anormal sind und daß die dort herrschende Logik auf die
Wissenschaft nicht übertragen werden dürfe. So behandelt auch die
Wissenschaft und zwar in der Religionsphilosophie die religiösen
Phänomene. Sie kann aber nur zeigen, daß die Wissenschaft dort
nichts zu suchen hat, daß dort andere Gesetze als im objektiven Denken
gelten, daß also eine strengeScheidung zwischen Glauben
und Wissen gemacht werden müsse. Diese Gedanken N.s ent—
falten sich später in seiner Religionsphilosophie.
4. Das Verhältnis der Wissenschaften unter einander und die Stellung
der Philosophie im Wissenschaftsverbande.
Nachdem so N.s Wissenschaftsbegriff dargelegt ist, zu dem er
durch das Studium der Geschichte der Wissenschasten geführt wurde,
und nachdem wir gesehen haben, daß N. die Theologie aus dem
Wissenschaftsverbande herausweist, wohl aber von einer Religions⸗
philosophie wissen will, treten wir der Frage nach dem Ver—⸗