Full text: Germanische Mythologie

Zwerge. 
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auch List und Boshaftigkeit eigentümlich. Die spätere Zeit hat 
sich gerade an der Kleinheit dieser Wesen ergötzt. Bei Gastmäh— 
lern kochen sie das Wasser für eine ganze Gesellschaft in einer 
Eierschale. Wenn deshalb eine Mutter glaubt, daß für ihr eigenes 
Kind ein Wechselbalg, also ein Elbenkind, untergeschoben sei, so 
braucht sie nur etwas Wasser in einer Eierschale zu erhitzen. Dann 
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wald und habe doch noch niemals jemanden in einer Eierschale 
lochen gesehen“; oder: „Ich sah den Westerwald, siebenmal Wies' 
und siebenmal Wald“; oder: „Ich sah die Dumberwies', dreimal 
Wald und dreimal Wies'“. — Gerade dieser Zug läßt sich mit ge— 
ringen Varianten über ganz Deutschland verfolgen — ein schöner 
Beweis dafür, daß in dem Mythus und Glauben der Völker 
nichts zufällig und nebensächlich ist. 
Wir werden uns mit den Zwergen als Seelen Verstorbener 
noch später zu beschäftigen haben. Einen Überblick über die Stel— 
lung derfelben im Religionssystem haben wir bereits gewonnen: 
wir sahen in ihnen Verkörperungen der die Sterblichen im Hause 
wie in der freien Natur beherrschenden Schicksalsmächte; der viel— 
gestaltigen Erscheinungen in Luft, Wind und Regen; der magi— 
schen Schmiede- und anderer Künste, als deren vollendete Vertre— 
ter sie vielleicht seit unvordenklicher Zeit galten. Wir stellten aber 
auch fest, daß historische Erinnerungen das Band zwischen Zwer— 
gen und Menschen befestigt haben können, und daß in den Typus 
dieser Geisterschar dadurch Elemente hineingekommen sein dürf— 
—D 
Wir wenden uns nun zu der Betrachtung anderer Geistergrup— 
pen, die uns freilich weniger zuverlässig als echt und altheidnisch 
bezeugt sind, die uns aber dafür ein Zeugnis ablegen, daß in 
der Religion unserer Vorfahren ein Dämonismus, d. h. die un— 
bestimmte Furcht vor zahllosen, dem Menschen überall drohenden 
Gefahren, zum mindesten noch eine außerordentliche, wo nicht 
eine vorwiegende Rolle spielte. Es handelt sich dabei um jene 
Mächte, die man überall wirksam fühlte, aber eben deshalb nicht 
einzeln benennen und anrufen wollte. Im Menschenleben und in 
der Natur fühlte man ihre Stärke. Jeder Baum, jeder Fels 
kann dem einzelnen gefährlich werden; er wird deshalb bei den 
niedrigsten Völkern nur in dem gefahrdrohenden Augen— 
blick, bei höher gearteten und überlegter Denkenden ständig 
verehrt. Das Bedürfnis, diesen nahe liegenden Naturdingen eine
	        
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