Full text: Germanische Mythologie

8 
V. Gruppengottheiten. 
treten ist stets massenhaft. Sie beleben die Natur in Feld, Wald 
und auf den Bergen. Einer Zeit, die von der mechanischen Not— 
wendigkeit der Naturvorgänge noch nicht überzeugt sein konnte, 
bot sich als einzige Erklärungsmöglichkeit die Annahme von Gei— 
stern dar, die in dem Naturreich walteten. Wenn die Nebel sich 
ausbreiten, so trocknen die Zwerge ihre Wäsche; wenn das Gewölk 
sich aufrollt, so spinnen sie — eine Tätigkeit, die, wie wir bereits 
sahen, namentlich auch der heiligen Maria als Vertreterin alter 
Naturgötter vielfach zugeschrieben wurde. Auch das Echo, alt⸗ 
nordischdvergmali, führt auf sie zurück. In den dunkeln Rin— 
gen, die man im Grase findet, glaubt man die Spuren ihrer 
Tänze zu sehen. 
Ganz eigentümlich und allen Erklärungsversuchen trotzend ist 
die Meinung, daß die Zwerge menschlicher Hilfe bedürftig seien. 
Sie nehmen menschliche Dienstmädchen in ihre unterirdischen 
Wohnungen hinein, die es dann meist gut bei ihnen haben, aber, 
wenn sie wieder an das Tageslicht kommen, über eins erstaunt 
sind: sie glaubten, drei Tage bei den Zwergen verweilt zu haben, 
in Wirklichkeit aber sind es sieben Jahre gewesen. Auch werdende 
Mütter und Hebammen stehlen sie, um ihre Zahl zu vermehren. 
Denn die Zwerge des reinen Volksglaubens sind ja alle alt 
und nur männlichen Geschlechts, ihre Fortpflanzung also nur 
durch Ergänzung von der Außenwelt her möglich. Ihre Neigung, 
sinder zu rauben, wurde erwähnt. 
Von der Kunstfertigkeit der Zwerge berichten Mythus und Sage 
seit ältester Zeit. Schon die vedischen Rbhus, die man mit unse— 
ren Elfen auch lautlich identifiziert hat, sind kunstvolle Gold— 
schmiede. Die herrlichen Götterwaffen und Göttergeräte und man— 
nigfacher wunderbarer Schmuck stammen nach altnordischem Glau⸗ 
ben aus der Werkstätte der Zwerge; ich nenne nur den Hammer 
Donars, das Schwert und Schiff Freyrs, das Halsband der 
Freyja. Da man die Zwerge namentlich in Bergen und Berg⸗ 
höhlen wohnend wähnte, ist es wohl verständlich, daß man sie 
im Besitz ungeheueren Reichtums an Metallen glaubte. Sie sind 
aber auch die berufenen Verfertiger vielfachen Hausgeräts und 
Waffenzeugs, dem oft etwas Unheimliches anhaftet. Ihr Gold 
wird, wie der Hort des Andwari in der nordischen, der Schatz 
der Nibelungen in der deutschen Sage, oder der Goldreichtum 
von Wieland dem Schmied oft zum Verderben ganzer Geschlech— 
ter. Dem entsprechend ist ihrem Charakter neben der Klugheit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.