Full text: Germanische Mythologie

Quellen. 
bedürfen, wollten wir das zurückerwerben, was doch einst unser 
war; wollten wir eine Welt lebendig machen, deren Betrachtung 
doch die natürliche Vorbedingung sein muß für das Verständnis 
unserer nationalen Eigenart, ihres religiösen Instinktes, des Fort— 
schrittes, den das Christentum unserer ethischen und kulturellen 
Entwicklung gebracht hat, ganz zu schweigen von der Bedeutung, 
die der Betrachtung jener alten Glaubensformen für die Gebiele 
der allgemeinen Religionsgeschichte und der Völkerkunde zukommt. 
Unter den Quellen, die für die Erforschung der germani— 
schen Mythologie in Betracht kommen, stehen zeitlich Cäsars 
„Essays über den Gallischen Krieg“ obenan. Wir sind zu der An— 
nahme berechtigt, daß der große Eroberer nur einzelne deutsche 
Stämme persönlich oder durch Schilderungen kannte und müssen 
gestehen, daß er in seinen Nachrichten über deutsche Religion sich 
auf wenige, uns kaum verständliche AÄußerlichkeiten beschränkte. 
Dazu kommt noch die gemeinschaftliche Eigentümlichkeit aller rö— 
mischen Berichterstatter, ihre eigenen Gottheiten im fernen Aus— 
lande wiederfinden zu wollen, so daß wir, wenn wir die römische 
Bezeichnung eines deutschen Gottes hören, nicht sicher wissen, 
welcher damit gemeint fei. Wenn Cäsar also z. B. von der Ver— 
ehrung von Sol, Vulcanus und Luna redet, so ist es wahrschein— 
lich, daß er einen Feuerkultus der Germanen damit bezeichnen 
will; die Versuche aber, diese drei Namen auf deutsche Gottheiten 
zu übertragen, müssen als vage und gescheitert gelten. Wie we— 
nig Cäsar im übrigen auf dem Boden deutscher Religion zu Hause 
ist, geht daraus hervor, daß er den Germanen Opfer abspricht. 
Weit über alle seine Vorgänger und Nachfolger ragt der Rö— 
mer Tacitus hervor, der in seiner Germania auf Grund teil— 
weise nachprüfbarer, genauer Kenntnis Deutschlands ein scharfes 
Bild germanischen Lebens entwirft. Wenn er dem sittenverderb— 
ten Rom in germanischer Reinheit und Schlichtheit ein Musterbild 
vor Augen hält, wenn er dem übertriebenen Götzenbilderdienste 
seiner Vaterstadt die Naturverehrung des Barbarenlandes ent— 
gegenstellt, so mag er hier oder da Idealist sein und zugunsten 
unserer Vorfahren färben. Andererseits ist seine unerbitt— 
liche Wahrheitsliebe, sein Römerstolz, seine Schätzung der Gefahr, 
die dem Weltreiche Rom von seiten dieses Naturvolkes drohte, 
nicht zu verkennen, und sein Lob ist demnach das schönste, das je 
erklingen kann: Feindeslob. — Für die späteren Jahrhunderte 
fließen die Quellen weit weniger ergiebig und sind weniger zu⸗
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.