Full text: Kulturgeschichte Schwedens

256 Die Wikingerzeit. 
mit dem Rechtswesen. Geschlecht stand gegen Geschlecht auf, Zwietracht 
entstand unter ihnen und sie fingen an, gegenseitig Bürgerkrieg zu führen. Sie 
sagten zu einander: ‚Laßt uns einen Fürsten suchen, der über uns regiere 
und richte, was recht ist‘. Und sie gingen über das Meer zu den Warjagern, 
zu den Russen, wie diese Warjager genannt wurden, wie auch andere genannt 
wurden Sviar, andere Normannen, andere Anglianer und andere Goten. Und 
die Tschuden, Slaven, Krivitschen und Vessern sagten zu den Russen: ‚Unser 
Land ist groß und fruchtbar, aber es ist keine Ordnung darin, so kommt doch 
über uns zu herrschen‘. Und drei Brüder mit ihrem Gefolge wurden auserwählt, 
sie nahmen alle Russen mit sich und kamen. Und der älteste Bruder, Rurik, 
setzte sich in Nowgorod nieder, der andere, Sineus, in Bjelo-Jesero und der 
dritte in Isborsk; der hieß Truwor. Nach diesen Warjagern wurde das Russische 
Reich genannt, nämlich die Nowgoroder, d. h. das nowgorodische Volk von 
warjagischem Geschlecht; früher waren die Nowgoroder Slaven. Nach Verlauf 
von zwei Jahren starben Sineus und sein Bruder Truwor. Rurik übernahm dann 
die Regierung und teilte die Städte seinen Leuten aus, einem gab er Polotsk, 
einem andern Rostow und dem dritten Bjelo-Jesero. Und in diese Städte 
wanderten die Warjager ein. Die früheren Einwohner in Nowgorod waren 
Slaven, in Polotsk Krivitschen, in Rostow Merern und in Bjelo-Jesero Vessern«), 
Die nordischen Sagen, nebst zahlreichen Altertümern, die in den Ländern 
östlich vom Baltischen Meer gefunden worden sind, geben unzweideutiges Zeugnis 
davon, daß seit uralten Zeiten das schwedische Volk Beziehungen zu den er- 
wähnten Ländern hatte, und machen es wahrscheinlich, daß schon sehr früh 
größere und kleinere Einwanderungen dorthin stattfanden. Das von Nestor 
erwähnte Auftreten schwedischer Häuptlinge ist deshalb an und für sich nicht 
überraschend, und seine Erzählung wird dadurch bestätigt, daß man gerade 
um die Städte herum, die von Nestor warjagisch genannt werden, eine Menge 
Gräber, Waffen und Schmucksachen gefunden hat, über deren skandinavischen 
Ursprung kein Zweifel herrscht. 
Man muß indessen Nestors Worte nicht so verstehen, als ob ein Volk 
mit Namen Rus erst zu der angegebenen Zeit von Schweden herüberkam, um 
so weniger, als byzantinische Schriftsteller ungefähr ein Jahrhundert früher von 
einem Einfall in das oströmische Reich von zweitausend kleinen »russischen 
Schiffen« sprechen. Auch ist in fränkischen Jahrbüchern von einer Gesandtschaft 
des byzantinischen Kaisers Theophilus an Kaiser Ludwig den Frommen die 
Rede, mit welcher Gesandtschaft einige Männer kamen, die dem Volke »Ros« 
angehörten. Sie waren von ihrem König an den byzantinischen Kaiser geschickt 
worden, nun aber wünschten sie mit Ludwigs Hilfe auf einem anderen Weg in 
ihr Vaterland zurückzukehren, weil der Weg, den sie nach Konstantinopel ge- 
macht hatten, durch barbarische und wilde Länder, nicht ohne große Gefahr, 
I) Von den hier erwähnten Städten ist Nowgorod die in unserer älteren Geschichte so oft 
vorkommende Stadt bei dem See Ilmen. Bjelo-Jesero liegt nördlich von Smolensk, Isborsk südlich 
vom Peipus-See, Polotsk bei Düna, zwischen Vitebsk und Dünaburg, und Rostow südwestlich von 
Taroslarv.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.