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haft, und daß die verhältnismäßig große Bedeutung des Handels schon zu
jener Zeit hauptsächlich durch den reichen Gewinn an Bernstein, den man im
Norden fand, bedingt wurde, haben wir gesehen.
Der Bernstein kommt in großen Mengen teils an der Westküste von Jüt-
land vor, teils an der Küste von Ostpreußen. In der Bronzezeit war, wie un-
zweideutige Beweise darlegen, der jütländische Bernstein für den Handel viel
wichtiger als der preußische, ein Verhältnis, das sich indessen im Laufe des
letzten Jahrtausends vor Christi Geburt änderte ?).
Der Handel zwischen Süd- und Nordeuropa, quer durch den Kontinent,
wurde in hohem Maße dadurch erleichtert, daß unser Weltteil von so vielen
Flüssen in dieser Hauptrichtung durchschnitten wird. Unter diesen Flüssen
kommt besonders die Elbe mit ihren Nebenflüssen in Betracht, und zwar nicht
nur wegen der Bedeutung ihres Wassersystems, sondern vor allem, weil sie
an der Basis der jütländischen Halbinsel, also gerade in dem Gebiet ausmündet,
das der damalige Bernsteinhandel vornehmlich suchte. Hierzu kommt, daß
einer der größten Nebenflüsse der Elbe, die Moldau, in seinem Lauf eine Gegend
durchkreuzt, die nur wenige Meilen von der Donau entfernt und nicht durch
hohe Berge vom Talgang dieses Flusses geschieden ist.
Einer der wichtigsten Wege, die der Handel zwischen Norditalien und
Nordeuropa in jenen alten Zeiten ging, ist an Etsch und Eisack entlang, durch
Tirol hinauf bis zum Brennerpaß, der noch heute, wie bekannt, für den Ver-
kehr zwischen Italien und Europa nördlich der Alpen von großer Bedeutung
ist. Von da ging es hinunter, erst den Sill, einem Zufluß des Inn, und danach
den Inn entlang bis zur Donau. Wollte man dann weiter nach dem Norden,
so wählte man den Donauweg ungefähr bis dahin, wo heute Linz liegt. Von
hier ging man zum oberen Lauf der Moldau über und kam so längs dieses
Flusses und der Elbe zur Nordseeküste. Auch die anderen nach Norden
fließenden Ströme: Weichsel, Oder, Weser und Rhein waren natürlich schon
früh von großer Bedeutung für den Handel, doch scheint in der Zeit, mit der
wir uns hier beschäftigen, der Elbweg für den Verkehr mit unseren Gegenden
der wichtigste gewesen zu sein. Außer dem eben genannten Weg längs der
Moldau konnte man von dem Donaugebiet zur Elbe auch auf einem west-
licheren Weg gelangen, der erst auf die Saale traf und dann diesem Fluß bis
zu seiner Vereinigung mit der Elbe folgte.
Manche glauben, daß der Handel eine sehr lange Zeit, vielleicht mehrere
Menschenalter, in jenen alten Zeiten brauchte, um die Waren von Norditalien bis
zu unseren nordischen Gebieten zu befördern. Dies ist jedoch ein Irrtum,
Haben wir doch gesehen, daß der Weg von Italien nach dem Norden
schon längst geöffnet war, und daß ein lebhafter Tauschhandel bestand, der
den nordischen Bernstein nach dem Süden und Bronze, unbearbeitet oder ver-
arbeitet, Gold und andere kostbaren Sachen nach dem Norden brachte. Selbst
wenn wir gebührendermaßen in Betracht ziehen, daß hier nicht die Rede von
1) Montelius, im Mänadsblad, 1881, S. 62. — Olshausen, Der alte Bernsteinhandel und
die Goldfunde, in den Verhandl, d. Berliner Anthrop. Gesellschaft, 1890, S. 270; 1891, S. 286.
Verkchr mit anderen Ländern,