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Der Alte setzte sich an den Ofen, nahm den kleinen Knaben auf
seinen Schoos, drückte das Wasser aus seinen Locken, wärmte dessen Hände
in den seinigen und machte ihm füßen Glühwein: da erholte er sich, be—
kam rothe Wangen, sprang auf den Fußboden und tanzte um den Alten
herum.
„Du bist ein lustiger Knabe!“ sagte der Alte. „Wie heißt Du?“
„Ich heiße Amor!“ erwiderte er— „Kennst Du mich nicht? Dort
liegt mein Bogen! Glaube mir, damit schieße ich! Sieh, nun wird das
Wetter draußen wieder gut, der Mond scheint.“
„Aber Dein Bogen ist verdorben!“ sagte der alte Dichter.
„Das wäre schlimm!“ sagte der kleine Knabe, nahm ihn auf und
besah ihn. „O, der ist völlig trocken und hat keinen Schaden gelitten;
die Sehne sitzt straff; ich werde ihn probiren!“ Dann spannte er ihn,
legte einen Pfeil darauf, zielte und schoß den guten, alten Dichter mitten
in das Herz. „Siehst Du wohl, daß mein Bogen nicht verdorben war?“
sagte er, lachte laut auf und lief davon. Der unartige Knabe, so den
alten Dichter zu schießen, der ihn in die warme Stube hereingenommen
hatte, so gut gegen ihn gewesen war und ihm den schönsten Wein und
den besten Apfel gegeben hatte!
Der gute Alte lag auf dem Fußboden und weinte; er war wirklich
in das Herz geschossen. „Pfui!“ rief er, „was für ein unartiger Knabe
ist dieser Amor! Das werde ich allen guten Kindern erzählen, damit sie
sich in Acht nehmen können und nie mit ihm spielen, denn er thut ihnen
was zu Leide!“
Alle guten Kinder, Mädchen und Knaben, denen er dieses erzählte,
nahmen sich auch vor dem bosen Amor in Acht; aber der führte sie doch
an, denn er ist sehr durchtrieben! Wenn di— Studenten aus den Vor—
lesungen kommen, so läuft er ihnen mit einem Buche unter dem Arme
zur Seite und hat einen schwarzen Rock an. Sie können ihn nicht er⸗
kennen. Und dann fassen sie ihn unter den Arm und glauben, daß er
auch ein Student sei; aber da sticht er ihnen den Pfeil in die Brust.
Wenn die Mädchen vom Prediger kommen und eingesegnet werden, so ist
er auch unter ihnen. Ja, er ist immer hinter den Leuten her! Er sitzt
im großen Kronleuchter im Theater und brennt lichterloh, so daß die
Leute glauben, es sei eine Lampe; aber später sehen sie den Irrthum ein.
Er läuft im Schloßgarten und auf den Promenaden umher! Ja, er hat
auch einmal Deinen Vater und Deine Mutter in das Herz geschossen!