Full text: Sämmtliche Märchen

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sie, und in schnellem Trabe ritten sie einen Weg, den er nie gefunden 
haben würde, hinaus in die offene Haide. 
Er vergaß ihre häßliche Gestalt, er empfand es, wie die Gnade und 
Barmherzigkeit Gottes durch das Ungethüm wirkte; er betete fromme Gebete 
und stimmte heilige Lieder an. Da zitterte sie; war es die Macht des 
Gebets und des Gesanges, die hier wirkte, oder war es der Schauder in 
der kalten Morgendämmerung, die herannahte? Was empfand sie wohl? 
Sie hob sich hoch empor, wollte das Pferd anhalten und herabspringen; 
allein der christliche Priester hielt sie mit aller Macht zurück, sang ein from— 
mes Lied, als vermöchte dieses den Zauber zu lösen, der sie in die häßliche 
Froschgestalt bannte. Das Pferd jagte noch wilder dahin, der Himmel 
färbte sich roth, der erste Sonnenstrahl drang durch die Wolke, und bei 
dem klaren Lichtquell trat auch der Wechsel der Gestalt ein; — Helga war 
wieder die junge Schöne mit dem dämonischen, bösen Sinne. Er hielt das 
schönste junge Weib in seinen Armen und er entsetzte sich darob; er sprang 
vom Pferde herab und zwang es zum Stehen. Er wähnte einen neuen 
unheilschweren Zauber zu erleben; allein Helga war gleichfalls mit einem 
Satze vom Pferde und stand auf dem Boden. Das kurze Gewand des 
Kindes reichte ihr nur bis ans Knie; sie riß das scharfe Messer aus dem 
Sürtel und stürzte sich blitzschnell auf den Ueberraschten ein. 
„Daß ich Dich nur erreiche!“ rief sie; „daß ich Dich erreiche, und 
das Messer soll in Deinen Leib hineinfahren! Du bist ia blaß wie Heu, 
bartloser Sklave!“ 
Sie drang auf ihn ein; sie rangen mit einander in schwerem Kampfe, 
allein es war, als sei eine unsichtbare Kraft dem Kämpfer Christi verliehen; 
er hielt sie fest, und die alte Eiche, an welcher sie standen, kam ihm zu 
Hilfe, indem die durch ihre vom Boden halb abgelösten Wurzeln gleichsam 
des Mädchens Füße banden, die sich in dieselben verstrickt hatten. Ganz 
in der Nähe rieselte eine Quelle, er besprengte Helga mit dem frischen 
Sprudel Brust und Antlitz, gebot dem unreinen Geist herauszufahren und 
segnete sie nach christlicher Sitte: allein das Wasser des Glaubens hat keine 
Draft da, wo der Quell des Glaubens nicht auch von innen strömt. 
Und doch bewies er auch hierin seine Kraft, ja mehr denn die ein— 
fache Manneskraft setzte er durch seine Handlung der ringenden bösen Macht 
entgegen; die heilige Handlung überwältigte sie, sie ließ die Arme sinken, 
schaute staunend und mit erblassenden Wangen Denjenigen an, der ein 
mächtiger Zauberer und in geheimen Künsten erfahren zu sein schien; es
	        
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