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sich ihrer feinen künstlichen Flügel, deren Flor und Sammet, freute sich
der warmen Lüfte, die geschwängert waren mit würzigem Dufte des Klee—
feldes und der wilden Rosen, des Flieders und Geisblattes, der Garten—
hecke, des Waldmeisters, der Schlüsselblumen und Krausemünze; es duftete
so stark, daß die Eintagsfliege fast berauscht war. Der Tag war lang
und schön, voll Freude und suüßen Gefühls, und als dann die Sonne sank,
fühlte die kleine Fliege sich stets recht angenehm ermüdet von jener fröh⸗
lichen Lust. Die Flügel wollten fie nicht mehr tragen, und leise und lang⸗
sam glitt sie hinab auf den weichen, wogenden Grashalm, nickte mit dem
Kopfe, wie sie eben nicken kann, und schlief süß und fröhlich ein, — es
war der Tod.
„Arme, kleine Eintagsfliege!“ sagte die Eiche, „das war doch ein gar
zu kurzes Leben!“
Und an jedem Sommertage wiederholte sich derselbe Tanz, dieselbe
Rede, Antwort und dasselbe Einschlafen; es wiederholte sich Alles durch
ganze Geschlechter von Eintagsfliegen, und Alle fühlten sie sich glücklich,
gleich fröhlich.
Die Eiche stand wachend da an ihrem Frühlingsmorgen, Sommer—
mittage und Herbstabende; bald näherte sich ihre Ruhezeit, ihre Nacht. Der
Winter kam heran.
Schon sangen die Stürme ihr „Gute Nacht, gute Nacht!“ Hier fiel
ein Blatt, dort fiel ein Blatt. „Wir rütteln und schütteln! Schlaf ein,
schlaf ein! Wir singen Dich in Schlaf, wir schütteln Dich in Schlaf,
aber nicht wahr, es thut wohl in den alien Zweigen? Sie knacken dabei
vor lauter Wonne! Schlaf süß, schlaf süß! Es ist Deine dreihundert⸗
fünfundfsechzigste Nacht; eigentlich bist Du doch nur ein Guckin-die-Welt!
Schlaf süß! Die Wolke streut Schnee herab, es giebt eine Decke, schützend
warm um Deine Züße! Schlaf füß, und — angenehme Träume!“
Die Eiche stand da, ihres Laubes entkleidet, um zur Ruhe zu gehen
den ganzen langen Winter und manchen Traum zu träumen, stets etwas
Erlebtes, wie in den Träumen der Menschen.
Der große Baum war auch klein, ja eine Eichel war einst seine Wiege
gewesen; nach Menschenrechnung lebte er nun im bierten Jahrhundert; er
war der größte und beste Baum im Walde, mit seiner Krone überragte
er weithin alle andern Bäume und wurde fern von der See aus gesehen,
diente als Wahrzeichen den Seeleuten; er hatte keine Ahnung, daß gar
viele Augen ihn suchten. Hoch oben in seiner grünen Krone baute die