Full text: Sämmtliche Märchen

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noch lebte. Die grünen Frösche, die weit früher hier zu Hause waren 
und im Wasser umherschwammen, erkannten die Vetterschaft an und nannten 
sie die „Brunnengäste“. Diese mochten aber im Siune haben dort zu 
bleiben; sie lebten hier sehr angenehm auf dem Trockenen, wie sie die nassen 
Steine nannten. 
Die Froschmutter war einmal gereist, war im Wassereimer gewesen, 
als dieser aufwärts ging, aber es wurde ihr zu licht, sie bekam Augen— 
schmerzen, glücklicher Weise gelangte sie aus dem Eimer heraus; sie fiel 
mit einem entsetzlichen Plump in's Wasser und lag drei Tage darauf 
krank an Rückenschmerzen. Von der Welt oberhalb sollte sie freilich nicht 
viel erzählen können, aber das wußte sie, und das wußten sie alle, daß 
der Brunnen nicht die ganze Welt sei. Die Krötenmutter hätte zwar 
Dieses und Jenes erzählen können, aber sie antwortete niemals, wenn man 
sie fragte, und so fragte man nicht. 
„Dick, fett und häßlich ist sie,“ sagten die jungen grünen Frösche. 
„Ihre Jungen werden ebenso häßlich sein!“ 
„Das mag sein!“ sagte die Krötenmutter, „aber eins von ihnen hat 
einen Edelstein im Kopfe oder ich habe ihn!“ 
Die grünen Frösche horchten und glotzten, und weil ihnen das nicht 
gefiel, so machten sie Grimassen und gingen in die Tiefe. Aber die Kröten— 
jungen streckten die Hinterbeine aus vor lauter Stolz, jedes von ihnen 
glaubte, den Edelstein zu haben; und darauf saßen sie ganz still mit dem 
Kopfe, aber endlich fragten sie, was es wäre, worauf sie stolz wären und 
was so ein Edelstein eigentlich für ein Ding sei. 
„Das ist etwas so Herrliches und Köstliches, daß ich es gar nicht 
beschreiben kann!“ sagte die Krötenmutter. „Es ist Etwas, womit man 
zu seinem eigenen Vergnügen umhergeht und über welches die Andern sich 
ärgern. Aber fragt nicht, ich antworte nicht!“ 
„Ja, ich habe den Edelstein nicht!“ sagte die kleinste Kröte; sie war 
so häßlich wie nur eine sein kann. „Weshalb sollte auch ich eine solche 
Herrlichkeit haben? Und wenn sie Andere ärgert, kann sie mich ja nicht 
erfreuen! Nein, ich wünsche nur „ daß ich einmal bis an den Brunnenrand 
hinauftommen und hinausschauen könnte; dort muß es reizend sein!“ 
„Bleibe Du am liebsten, wo Du bist!“ sagte die Alte, „hier kennst 
Du Alles und weißt was Du hast! Nimm Dich in Acht vor dem Eimer, 
der zerdrückt Dich; und kommst Du auch wohl behalten hinein, so könntest
	        
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